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INTERVIEWDer Gipfeloptimismus ist verflogen

■ Interview mit Rolf Ekeus, Vorsitzender im Chemiewaffenauschuß der Genfer Abrüstungskonferenz

Gestern begannen die Beratungen des Sonderausschusses für Chemiewaffen der Genfer Abrüstungskonferenz. Der während des Washingtoners Gipfel verbreitete Optimismus, noch im Frühjahr 88 sei ein Vertrag über die weltweite Abschaffung der Chemieeiwaffen unterschriftsreif, ist längst verflogen.

taz: Welche Hürden stehen einem Abkommen entgegen und wann erwarten Sie den Abschluß?

Ekeus: Größere militärische Probleme gibt es keine mehr, nur noch politische und verifikationstechnische bezüglich der Überwachungen von zivilen Anlagen der Chemieproduktion. Hier liegt ein Schreiben der Vereinigung europäischer Chemiebetriebe vor,deren Sorgen wegen Industriespionage wir hoffentlich ausräumen können.Der Vertrag sollte so bald wie möglich abgeschlossen werden, ,weil sonst immer mehr Staaten chemische Waffen produzieren können und werden. Ein genauer Zeitpunkt ist aber nicht vorauszusagen.

Bringt die Produktionsaufnahme binärer Waffen durch die USA neue Probleme.

Die USA hatten das lange angekündigt, insofern war das keine Überraschung, doch politisch bedeutet dieser Akt der USA einen Rückschlag.

In der Bundesrepublik gibt es die Sorge, daß die binären Waffen der USA doch noch stationiert werden können, falls nicht vorher ein Vertrag unterzeichnet, ratifiziert und in Kraft getreten ist. Die Besorgnis wird dadurch verstärkt, daß die bilaterale Absprache zwischen Rräsident Reagan und Bundeskanzler Kohl – die sogenannte „Tokio-Eklärung“- über die Stationierung dieser Waffen in der BRD „in Krisenzeiten“ bis heute nicht schriftlich vorliegt. So ist zum Beispiel offen, ob diese Vereinbarung auch bindend für Reagans Nachfolger ist. Kennt Ihr Ausschuß oder kennen Sie persönlich den Text dieser Absprache?

Nein. Ich habe bisher auch nur eine mündliche Erläuterung durch Vertreter der USA und der Bundesrepublik erhalten.

Der jetzt vorliegende Vertragstext, der in wesentlichen Teilenvon den USA entworfen wurde, sieht strikte Kontrollen vor,von denen die USA jetzt behaupten, daß sie von der UDSSR zwar in der Öffentlichkeit, nicht aber im Detail am Verhandlungstissch akzeptiert würden.

Die UDSSR hat alle Vorschläge, auch im Detail, akzeptiert, darunter Vor-Ortinspektionen, und hat auch auf das Recht verzichtet, solche Inspektionen im Einzelfall nicht zuzulassen.

Frankreich hat angekündigt, daß es bis zum achten Jahr der Zehnjahrsfrist nach Vertragsabschluß, innerhalb derer alle Chemiewaffen vernichtet werden sollen, seine Bestände vollständig behalten will. Was bedeutet dies für die Umsetzung eines Vertrages?

Frankreich hat uns zwar bis heute offiziell nicht darüber informiert, daß es überhaupt chemische Waffen hat. Frankreich wird zu entscheiden haben, inwieweit sein Verhalten den Abrüstungsprozeß positiv oder negativ beeinflußt. Andreas Zumach

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