Der Fortsetzungsroman: Kapitel 12: Das kleine Raumschiff
Was bisher geschah: Professor Phäno und Professor Median suchen in der Rosenthaler Straße nach dem anderen Raumschiff.
Jenny und C2H5OH schraubten gerade die neue Preistafel mit den Marshmallowtarifen an die Wand, da hörten sie vom Bürgersteig Gesang. Zwei krächzende Stimmen intonierten: „Wir sind die Größten / denn auch die ungelösten / Fragen kriegen wir dran / Professor Phäno und Median.“ Dann folgte ein rhythmisch skandiertes „Raum-schiff, Raum-schiff“ und Jubelgeheul. Es rappelte an der Ladentür, und die beiden Wissenschaftler stapften mit wehenden Laborkitteln in den Laden. Sie rissen die Tür weit auf, denn Major Canis folgte mit einem Kopierer auf dem Rücken.
„Stell ihn neben den anderen“, sagte Professor Median. Der Wissenschaftler mit dem blauen Klemmbrett beugte sich leicht schwankend nach unten und tätschelte Major Canis den Nacken: „Bist ein braver Bot, braves Botti.“
Professor Phäno schraubte den rosa Deckel von seinem Gefäß und genehmigte sich einen tiefen Zug einer sprudelnden gelblichen Flüssigkeit. „Ein kleiner Schluck Empirie schadet niehihihi.“ Er reichte das Gefäß an Professor Median, der gleichfalls trank.
Sie legten beide die rechte Faust auf den Kopf: „Raumschiff entdeckt und evaluiert“, brüllte Professor Median. „Gut getarnt als Eckhaus, aber nicht gut genug für uns.“
„Seht nur! Da! DA IST ES!“ Professor Phäno trat an das Oberlicht und deutete hinaus. Jenny, FP Chi und C2H5OH spähten über seine Schulter. „Es hat sogar einen Namen. St. Oberholz.“ Professor Phäno betonte den Namen langsam und sorgfältig.
Jenny schüttelte den Kopf: „Das ist kein Raumschiff, das ist ein Großraumbüro.“
Professor Phäno bekam einen Schluckauf: „Aber da war alles voll mit Aliens. Wesen wie du und ich. Na, wie du nicht natürlich, Jenny. Wie ich und ich. Du er sie es je tu il sumus estis sunt …“, brabbelte er vor sich hin.
„Das sind keine Aliens, das sind einfach nur Nerds.“
„Ein Hauch von Nerds“, ergänzte Professor Median und ließ ein Bäuerchen entfleuchen, bei dem Major Canis herumfuhr und leise knurrte.
„Sie haben bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert“, sagte FP Chi.
„Ja selbstverständlich.“ Professor Median nickte eifrig. „Aber nur zur Tarnung. Wir haben getrunken, was alle dort getrunken haben, und es ist uns gelungen, eine Probe für die wissenschaftliche Arbeit zu sichern.“
„Und wir schrecken auch vor dem Selbstversuch nicht zurück.“ Professor Phäno wollte noch einen Schluck.
Jenny nahm ihm das Gefäß aus der Hand und schnüffelte: „Dacht ich’s mir doch, Club-Mate.“ Zu FP Chi sagte sie: „Überdosis Koffein.“
FP Chi kratzte sich am Dutt: „Oh nein, ausgerechnet Koffein. Schnell, C2H5OH, holen Sie die Bordapotheke.“
„Was ist ein Nerd?“, fragte Professor Phäno. „Süße kleine Nerds aus dem Nerdialisspiralnebel.“
„Aber werter Herr Kollege, es gibt doch gar keinen Nerdialisspiralnebel.“ Professor Median deutete eine Verbeugung an.
„Da haben Sie überdurchschnittlich recht, lieber Median. Für einen primitiven Empiriker sind Sie erstaunlich flink auf den Synapsen.“ Professor Phäno kicherte leise.
„Für eine geisteswissenschaftliche Labertasche können Sie erfrischend einsilbig sein“, sagte Professor Median.
„Prost“, sagte Professor Phäno und nahm sein Gefäß wieder an sich.
„Was ist ein Nerd?“, fragte FP Chi.
„Nerds sind so etwas Ähnliches wie Menschen. Sie kommen mit Computern besser zurecht als mit der Wirklichkeit. Wenn sie ein Bier trinken wollen, laden sie sich eine Flaschenöffner-App aufs Handy. Außerdem trinken sie kein Bier, sondern Club-Mate. Mit Schraubverschluss.“
„Das heißt“, FP Chi seufzte leise, „die Rosenthaler Straße ist nicht die Rchrzzzztrzkskrzstraße in Mitte.“
„Völlig ausgeschlossen“, sagte Professor Phäno. „Uns entgeht nichts.“
Jenny war an den Kopierer getreten. „Was ist denn das?“
„Unser zweiter Kopierer“. Professor Median tätschelte die graue Verschalung des Geräts. Als er Jennys schmal gewordenen Augenschlitze sah, fügte er schnell hinzu: „Wir haben ihn zufällig gefunden. Einfach so.“
„In Nerdlingen“, murmelte Professor Phäno.
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