Der Fortsetzungsroman: Kapitel 13: Heloten in freier Wildbahn
Was bisher geschah: Um die Marshmallow-Minen auszubeuten, brauchen die Blipiden viele fleißige Heloten.
"Du wolltest einen Überblick, hier hast du ihn. Also beschwer dich nicht.“ Jenny war genervt.
Zwei Tage zuvor hatte FP Chi sie zur Seite genommen. „Wenn wir die Marshmallow-Minen finden, muss unsere Helotenbrigade startklar sein. Dazu müssen wir wissen, welche landsmannschaftlichen Unterschiede in den Bezirken bestehen. Jeder Helot soll nach seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten ausgebeutet werden. Schaff uns einen Heloten aus jedem Bezirk her, damit wir ihn auswerten können.“
„Ein Sample“, hatte Professor Median ergänzt. „Die Multitude der Individuen“, korrigierte ihn Professor Phäno.
Jenny hatte nur den Kopf geschüttelt. „Dass sich jemand aus Zehlendorf oder Oberschöneweide in diesen Copyshop verirrt, ist unwahrscheinlich. Hier in Mitte gibt es süße, kleine Nerds, Immobilienmakler und zugereiste Journalisten, die Bücher schreiben, die „Mein Berlin“ im Untertitel tragen. Sehr viel mehr als eine Tüte Marshmallows haben die in ihrem Leben noch nicht getragen. Für gewöhnlich verlässt der Berliner seinen Bezirk nur, um der Stadt den Rücken zu kehren oder um an Großereignissen wie der Fanmeile teilzunehmen.“
Danach rumorte das Wort „Großereignis“ in Jennys Kopf, und als ein hagerer junger Mann mit einem in Form eines Schwalbenschwanzes gezwirbelten Kinnbärtchen und einem Lippenpiercing eine Einladung zur veganen Volksküche kopiert hatte, kam ihr die Idee.
Jetzt pflügten sie im Watschelschritt über die Grüne Woche, eingekeilt bis zum Adamsapfel. FP Chi ächzte in seinem Kleid vor sich hin.
„Es ist ein Jammer, dass wir Major Canis nicht mitnehmen konnten“, sagte C2H5OH. „Der hätte uns beim Schleppen helfen können.“ Unter dem Arm hatte er ein Stück eingeschweißten norwegischen Lachs geklemmt. In der Gesäßtasche seines roten Overalls steckte eine ungarische Salami.
Jenny war froh, dass der kleine Kampfroboter im Laden geblieben war. Vermutlich wäre er durchgedreht und hätte eine büffelgroße Mastsau oder einen schlitzohrigen Doppelrammler aus der Kleintierhalle zu Kohlenstaub pulverisiert.
C2H5OH betrachtete sich fachmännisch ein paar Schautafeln, die über das Heizen mit Holzpellets informierten. „Genauso ist das bei uns“, sagte er zu Jenny. „Nur eben mit Marshmallows. Aber der Wirkungsgrad ist ja geradezu saumäßig bei diesem Ofen, wenn ihr das Zeug eimerweise reinschaufeln müsst.“
Der Berater am Stand des Pelletfabrikanten brachte ein müdes Messelächeln in Anschlag und machte sich bereit zur Einwandbekämpfung, als er das hörte. Jenny war froh, dass sie der Strom der Besucher sachte, aber unerbittlich wie ein Lavastrom mit sich fortriss.
„Gedrungener Körperbau, kaum Halsansatz, strähnige Haare, immense Tragkraft. Dieses Helotenweibchen kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Neukölln.“ Professor Median zückte sein blaues Klemmbrett und machte einen Vermerk über eine Besucherin, die zwei vollgestopfte Plastiktüten mit sich schleppte. Hinter ihm schmatzte Professor Phäno und ließ sich von einer Frau mit blonden Zöpfen und Holzpantinen ein Käsestückchen aufnötigen. Er verstaute die Probe in seinem Gefäß mit dem rosa Deckel, wo sich bereits eine Olive, eine Tulpenzwiebel und ein Holzpellet befanden.
„Und diese riesigen haarigen Heloten, die sich auf allen vieren fortbewegt haben, die kamen aus dem Wedding, nicht wahr?“ Professor Medians Frage richtete sich an Jenny.
„Nein, das waren Brauereipferde, vorhin in der Großtierhalle. Weddinger findest du vermutlich in der Halle mit den Erfrischungsgetränken.“ Professor Medians Augen leuchteten auf, aber FP Chi schüttelte den Kopf. „Keine Club-Mate, Herr Professor. Wir befinden uns in einem militärischen Einsatz.“
Ein durchdringendes Röhren ließ sie herumfahren. In einer Ecke der Halle, die sie gerade betreten hatten, standen drei Alphornbläser und tuteten melancholisch um die Wette.
„Seht nur, das Schweiz“, hauchte C2H5OH. Er deutete auf die vielen kleinen roten Fähnchen mit weißen Kreuzen. Irgendwo bimmelte eine Kuhglocke.
„Zeit für eine Rast“, sagte C2H5OH. Er nahm Professor Phäno das Klemmbrett aus der Hand und ging zielstrebig auf eine Holzhütte zu, aus der es verführerisch nach Käse duftete. „Grüezi, freundliche Helotin, wir kommen vom Fonduekontrollamt. Dürften wir mal einen Blick in Ihr Chuchichäschtli werfen?“
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