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■ Der Flüchtling Thomas Mazimpaka erklärt sich zum neuen MessiasSelbsterhöhung als Selbstrettung

Wenn einer es schaffen müßte, politisches Asyl zu bekommen, dann er – der Mann vom Stamme der Tutsi, der vor einem blutigen Bürgerkrieg geflüchtet ist. Wenn einer es schaffen könnte, sich im deutschen Behördendschungel mit all seinen Schikanen zurechtzufinden, dann er, der Betriebswirt, der fließend Deutsch und fünf weitere Sprachen spricht. Wenn einer es schafft, dem Schimpfwort Asylant ein menschliches Gesicht und eine Stimme zu verleihen, dann er, der 40jährige aus Ruanda, der den demütigenden Flüchtlingsalltag in Deutschland erstmals eindringlich in einem Buch beschrieben hat. Nun hat selbst Thomas Mazimpaka, Deutschlands einziger prominenter Asylbewerber, es offenbar nicht geschafft.

Politisch ist Mazimpaka an der skandalösen Untätigkeit der deutschen Behörden gescheitert, die sich auch nach sieben Jahren außerstande sehen, seinen Asylantrag zu bescheiden. Das ist leicht zu begreifen. Was ihn das menschlich gekostet hat, ließ sich eher ahnen, als Mazimpaka gestern demonstrativ seinen Asylantrag zurückzog. Ein Mann steht vor der Presse – selbstbewußt und erhobenen Hauptes – und signalisiert das eigene Zerbrechen. Thomas Mazimpaka hat sich gestern vor laufenden Fernsehkameras zum neuen Messias erklärt, zum Erlöser der Welt vor Krieg und Gewalt, der nun auf ein Aufnahmeangebot Israels oder des Vatikans wartet. Irritation bei den konsternierten Freunden und politischen Unterstützern, betretenes Schweigen bei den versammelten Medienvertretern. Da hat sich ein Mensch in einen tragischen Versuch der Selbstrettung geflüchtet.

Stimmt nun alles nicht mehr, was der 40jährige in den letzten Wochen eindringlich in zig Buchlesungen und Talkshows über das Elend von Asylbewerbern geschildert hat? Mazimpakas Flucht in religiöse Erlöserphantasien bestärkt es eher – nur auf andere Weise. Wer in einem sächsischen Asylheim tägliche Erniedrigung erfährt, wählt als Überlebensstrategie vielleicht die Variante Selbsterhöhung. Wer vergeblich um das eigene Recht kämpft, weiß vielleicht irgendwann keinen anderen Ausweg mehr als den Wahn, daß das eigene Elend göttliche Vorsehung ist. Wer als Akademiker in einer umgebauten Toilette einer Massenunterkunft hausen muß und plötzlich vom namenlosen Flüchtling in der Isolation zum herumgereichten Talkshowgast wird, verkraftet das vielleicht nicht anders als durch überhöhten Selbstbezug. Vera Gaserow

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