: „Der Feind steht rechts“
Bremen ist ein Test– und Exerzierfeld für Neo–Nazis und Rechtsextremisten geworden; was ist dagegen zu tun? Im kleinen Kreis trafen sich vergangene Woche im Bremer Rathaus zu dieser Frage Bürgermeister Henning Scherf, der Neu–Bremer und ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz und zwei Hochschullehrer. „Wehret den Anfängen - da ist ein bißchen Hysterie drin“, meinte der Historiker Immanuel Geiss zu Beginn und versuchte, das Auftreten von FAP, DVU und Republikanern im Bremer Bür gerschaftswahlkampf zu relativieren: „Unsere Gesellschaft ist heute im Unterschied zu 1918 oder 1932 eine volldemokratische. Gegen das rechtsextreme Potential müssen wir im besten Sinne Aufklärung betreiben: Argumente der Neo–Nazis aufgreifen, die Demagogie abtrennen und den sachlichen Kern positiv beantworten.“ So einfach wollte es der Soziologe Narciss Goebbel nicht sehen. „Die Symbole der Neo–Nazis haben ein hohes identitätstiftendes Potential“, begründete er die „große Ansprechbarkeit“ sehr vieler Jugendlicher. „Ungleich heit der Menschen“ und „Gewalt“ seien die zentralen Punkte neo–nazistischer Ideologie, damit träfen sie auf eine „vehemente Erfahrung sehr vieler Jugendlicher selber“. Doch die seien deshalb noch lange keine Neo–Nazis. Somit kommt er auch zu seiner Schlußfolgerung: „Aufklärung ist möglich.“ Auch Pastor Heinrich Albertz plädierte für Aufklärung - „Was solls denn anderes geben?“ Aber dann wußte er auch noch ein anderes Mittel gegen Neo–Nazis in Bremen: „Ich bin stur der Meinung, rechte Extremisten muß man verbieten. Das hilft, denn die sind dumm und feige.“ An den Erfolg des Bremer Rundbriefes in Sachen FAP–Verbot jedoch glaubt Bürgermeister Henning Scherf nicht. Aber „ignorieren geht auch nicht, denn die DVU ist ja das einzige, was vom Wahlkampf bisher zu sehen ist.“ Und schließlich waren es vor 20 Jahren gerade die sozialdemokratischen Hochburgen in den alten Arbeiterbezirken und Satellitenstädten der Neuen Heimat, die die höchsten Wahlergebnisse für die NPD brachten. Auf knapp zehn Prozent waren die Nationalen 1967 landesweit gekommen. Auch heute habe die Sinus–“Studie“ ein rechtsextremes Potential von 20 Prozent unter den SPD– WählerInnen ausgemacht, referierte Scherf. Deswegen will er jetzt „einen politischen Prozeß, das ist nicht allein durch die Polizei zu machen“. Gegen diesen eher allgemeinen Aufruf des Bürgermeisters zum „politischen Prozeß“ schlug Narciss Goebbel das direkte Anknüpfen an die Parolen der Neo–Nazis vor: „Wirkliche Aufklärung muß froh sein, daß sowas geäußert wird.“ Eine aufklärerische Veranstaltung, an der auch Neo–Nazis teilnehmen, müßte z.B. als Thema haben: „Ich bin stolz, Deutscher zu sein.“ Daran teilzunehmen hatte Scherf jedoch Bedenken: „Ich will die Rechtsradikalen nicht hoffähig machen, ich will sie politisch bekämpfen.“ Diesen Kampf konnte Heinrich Albertz im Bremer Wahlkampf bislang nicht beobachten: „Wenn ich sehe, was meine Partei für einen Unsinn plakatiert, dann kann ich nur den Kopf schütteln.“ Für ihn gibt es „nur zwei Möglichkeiten: entweder die Sache einfach laufen lassen oder sie ganz grob und plakativ angehen.“ Als Motto für die Stelltafeln der Regierungspartei schlug er vor: „Der Feind steht rechts.“ „Wenn Ihr das zum Thema macht, dann dürft Ihr ruhig zwei Prozent dabei verlieren“, wandte sich Heinrich Albertz an Scherf. Tatsächlich steht auf den SPD–Stelltafeln zum Ferienende: „Schön, daß Ihr wieder da seid.“ „Das sind alles unsere Söhne und Enkel“, wollte Albertz schließlich die jungen Neo–Nazis „ein bißchen in Schutz nehmen“. Denn „wo an allen Biertischen weiter geglaubt wird, Deutschland werde von links umgebracht, bleibt das ein fruchtbarer Boden. Es müßte viel mehr über uns Alte gesprochen werden, über den vollblutigen Antikommunismus und das unreflektierte Feindbild, der Feind stünde links. Nein, der Feind steht rechts.“ Am Ende wurde die Diskussion wieder hanseatisch: „Ich hoffe doch, daß aus Bremen nochmal ein kleiner liberaler Fleck im schwarzen Land wird“, blieb Albertz bei seiner Partei, der SPD. „Ein Demokratie–Museum, ich mach den Pförtner“, warf Narciss Goebbel ein.
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