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Der Fall Olaf LatzelWie zwei Autoren einen homophoben Pastor reinwaschen wollen

Kommentar von

Eckhard Stengel

Ein Buch über Olaf Latzel, der einst von teuflischer „Homo-Lobby“ sprach, behauptet, die Justiz wolle „konservativen Christen“ den Mund verbieten.

Homophober Pastor Olaf Latzel: hier vor dem Landgericht in Bremen Foto: Hannes von der Fecht/imago/epd

S chon mal vom 8. Gebot gehört? „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Strenggläubige Protestanten wie David Wengenroth und Felix Böllmann kennen es. Aber beim Verfassen ihres 200-Seiten-Buches „Der Fall Latzel. Ein Rufmord mithilfe der Justiz“ ist es ihnen wohl aus dem Blick geraten. Jedenfalls unterstellen sie der Justiz, der evangelischen Kirche, Medien und Politikern, ohne überzeugende Belege, eine böswillige „Rufmordkampagne“ gegen den Pastor Olaf Latzel.

Zur Erinnerung: Latzel war 2019 bei einem „Eheseminar“ seiner Bremer Gemeinde über Homosexuelle hergezogen, ähnlich wie bereits 2015 über Andersgläubige. Als ein Mitschnitt seiner Tiraden ins Internet gelangte, landete er vor Gericht – wegen Volksverhetzung.

Von mehreren Anti-Homo-Äußerungen kamen vier zur Anklage: „Überall laufen diese Verbrecher rum von diesem Christopher Street Day, feiern ihre Parties“. Und: „Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist zutiefst teuflisch und satanisch“. Teuflisch sei auch die „Homo-Lobby“. Und Homosexualität sei eine der „Degenerationsformen von Gesellschaft“.

Eindeutig Volksverhetzung, befand 2020 das Bremer Amtsgericht. Nein, meinte später das Landgericht. Nach weiterem Gang durch die Instanzen wurde das Verfahren 2024 schließlich eingestellt – gegen Zahlung von 5.000 Euro an ein queeres Zentrum.

Überall laufen diese Verbrecher rum von diesem Christopher Street Day, feiern ihre Parties

Olaf Latzel, eine von vier Anti-Homo-Äußerungen des Pastors, die zur Anklage kamen

Die beiden Autoren, die jetzt über Latzel schreiben, sind nicht irgendwer. Wengenroth leitet das Meinungsressort der evangelikalen Nachrichtenagentur IDEA, Böllmann die Wiener Rechtsabteilung der Alliance Defending Freedom International, die für „Lebensschutz“ und „Religionsfreiheit“ eintritt. Sie streben eine „Ehrenrettung“ für Latzel an.

Er sei kein Hetzer und Schwulenhasser, habe nichts gegen Homosexuelle als Menschen, sondern halte lediglich gelebte Homosexualität für Sünde. Sein fünfeinhalbjähriges „Spießrutenlaufen“ sei der krasseste „Justizskandal“ der vergangenen Jahre und ein Beispiel für sich häufende Angriffe auf Religions- und Meinungsfreiheit. Das Amtsgericht habe „geradezu gewaltsam Recht und Logik verbogen (…), um zu einer Verurteilung zu kommen“.

Einzelne Ungereimtheiten im Verfahren

In der Tat gab es in dem Verfahren einzelne Ungereimtheiten. So hatte die Einzelrichterin das Wort „Genderdreck“ wohl missverstanden: als Bezeichnung für Personen statt als Angriff auf die Gendertheorie. Die Staatsanwaltschaft behauptete zudem, Latzel habe „Homosexuelle generalisierend als Verbrecher“ bezeichnet. In Wirklichkeit hatte er „nur“ CSD-Teilnehmer erwähnt. Hinterher behauptete er sogar, er habe lediglich „militante Aggressoren“ gemeint, die ihn mit Gottesdienststörungen und anderen Aktionen angegriffen hatten.

Recht haben die Autoren auch mit ihrer Kritik, dass Justiz und Medien oft zu rigide gegen eher harmlose oder ironisch gemeinte Äußerungen vorgehen. Aber abwegig ist der von ihnen erweckte Eindruck, die Justiz wolle „konservative Christen“ von freien Meinungsäußerungen abhalten. Natürlich dürfen Strenggläubige weiterhin Homosexualität als Sünde bezeichnen. Ja, sie dürften sogar behaupten, dass die Sonne um die Erde kreist, weil das zu Zeiten der Bibelautoren so gesehen wurde. Nur dürfen sie nicht gegen Minderheiten hetzen und deren Menschenwürde verletzen.

Ob Latzel dies auf strafbare Weise getan hat, darüber kann man trefflich streiten – nach dem Motto: Zwei Juristen, drei Meinungen. Aber die Unterstellung, dass hier ein unschuldiges Opfer böswillig zum vermeintlichen Täter gemacht worden sei, klingt doch sehr nach „falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“.

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