piwik no script img

Der Fall AmstettenRegierung will Österreich retten

Nach dem Inzest- Und Familiendrama von Amstetten sorgt sich Kanzler Gusenbauer um das Image seines Landes. Polizei will Widersprüchen des Falles verschärft nachgehen.

Haus des Schreckens in Amstetten. Ruiniert der Fall Fritzl das Ansehen Österreichs in der Welt? Bild: rtr

WIEN taz Das Amstettner Inzest- und Familiendrama um den pensionierten Elektroingenieur Josef Fritzl hat jetzt auch Österreich Politik auf den Plan gerufen. Nach anfänglichen Betroffenheitsäußerungen sorgen sich die Regierungsmitglieder zunehmend um Österreichs Ruf in der Welt.

Bundeskanzler und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer zog deswegen bei seiner traditionellen Ansprache nach dem Maiaufmarsch die Patriotismuskarte: "Wir lassen nicht zu, dass ganz Österreich, dass unsere gesamte Bevölkerung von einem kriminellen, grausamen Einzeltäter in Geiselhaft genommen wird". Zu tosendem Applaus seiner Genossen versprach er: "Wir werden das Ansehen unseres Landes verteidigen, liebe Freunde".

In Amstetten bleiben die Behörden indessen bei der Versicherung, es seien im Umgang mit der Familie Fritzl keine Pannen passiert. Man habe nach der 1984 verschwundenen Tochter auch im Ausland gefahndet und die Jugendwohlfahrt habe beim Auftauchen ihrer Kinder auf der Schwelle des Elternhauses jedes Mal korrekt gehandelt. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand hätte man aber keine Kinder in der Obhut des Gewalttäters Josef Fritzl belassen.

Während die Rechtsparteien FPÖ und BZÖ im Einklang mit Innenminister Günther Platter (ÖVP) nach höheren Strafen für Sexualdelikte rufen, versucht Justizministerin Maria Berger, SPÖ, Schnellschüssen zu widerstehen: "Die Strafrahmen gehen hier bis zu 15, 20 Jahre, bei Todesfolge bis zu lebenslang. Mehr als lebenslang ist nicht denkbar". Vielmehr müsse der Opferschutz verbessert werden.

Im Haus und Verlies in der Ybbsstraße von Amstetten, wird weiterhin jeder Gegenstand kriminalistisch untersucht. Auf die Frage, wie der Verdächtige eine 300 Kilo schwere Stahlbetontür allein montiert haben kann, gibt es eine plausible Antwort: er habe zwei Blechtüren selbst mit Beton gefüllt. Während seiner Urlaube in Thailand konnten sich die Eingesperrten dank gefüllter Speisekammer und Tiefkühltruhe ernähren.

Fritzl behauptet auch, er hätte den Eingang des Verlieses mit einem Mechanismus versehen, der im Falle seiner dauernden Abwesenheit die Flucht ermöglich hätte. Geprüft wird auch die Version, dass in diesem Fall Giftgas in den Bunker geströmt wäre.

Die Polizei geht auch dem geäußerten Verdacht nach, wonach Fritzl mit einem ungeklärten Sexualmord im Jahre 1986 zu tun haben könnte. Er betrieb damals am Mondsee in Oberösterreich einen Campingplatz, als die 17jährige Martina Posch in unmittelbarer Nähe vergewaltigt und ermordet wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!