Der Ex-Superminister: FDP nimmt Clement gerne
38 Jahre war Wolfgang Clement Mitglied bei der SPD. Die Rüge der Schiedskommission der Bundes-SPD wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Jetzt geht er.
Alles oder nichts: Kritik kann Wolfgang Clement nicht ertragen. Selbst wenn sie in abgemilderter Form als "Rüge" daherkommt, selbst wenn die Mitgliedschaft in seiner Partei, der SPD, auf dem Spiel steht. Nach 38 Jahren hat der Exministerpräsident von NRW, der "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit des zweiten Kabinetts Schröder die SPD verlassen.
Gerügt worden war Clement am Montag von der Bundesschiedskommission der SPD, weil er im Januar die Energiepolitik seiner hessischen Genossen verurteilt hatte. Das von ihnen geforderte Ende von Kohleverstromung und Atomenergie laufe auf "Deindustrialisierung" der Bundesrepublik hinaus, warnte der Politpensionär, der heute als Lobbyist für den Atomstromkonzern RWE tätig ist, in der WamS. Im Juli hatte das Parteigericht von Clements NRW-Landesverband sogar den Parteiausschluss des gebürtigen Bochumers verlangt: Hatte doch der Parteirechte indirekt dazu aufgerufen, Hessens Genossen unter Führung Andrea Ypsilantis nicht zu wählen.
Dabei hatte der Jurist im Umfeld der SPD schnell Karriere gemacht. Seit 1968 arbeitete er als Redakteur bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund - nach Herbert Wehner die "Herzkammer der Sozialdemokratie". Schon 1973 stieg er dort zum Vizechefredakteur auf. 1981 wechselte Clement dann als Sprecher des SPD-Bundesvorstands nach Bonn. Nach der gescheiterten Kanzlerkandidatur des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau ging Clement zurück in den Journalismus, tauchte aber schon 1989 als Leiter von Raus Staatskanzlei wieder in Düsseldorf auf. Im rot-grünen Kabinett Raus wurde er nach der Landtagswahl 1995 Wirtschaftsminister - und beerbte den späteren Bundespräsidenten im Mai 1998 als Ministerpräsident.
Eine Kabinettsreform, mit der Clement das Innen- und Justizministerium zusammenlegen wollte, scheiterte am Landesverfassungsgericht. Auch Clements Lieblingsprojekt, eine Transrapidstrecke zwischen Dortmund und Köln, wurde vom kleinen Koalitionspartner, den Grünen, verhindert. Frustriert wechselte Clement 2002 nach Berlin. Dort sorgte er mit den Hartz-Reformen für Massenproteste. Die führten auch in NRW zu einer Entfremdung der Parteibasis - 2005 scheiterte die SPD-geführte Landesregierung von Clements Nachfolger als Ministerpräsident, dem heutigen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Gerade in NRW halten viele Genossen daher Clement für den Niedergang ihrer Partei verantwortlich: Der Vater von fünf Töchtern hätte schon viel früher gehen sollen, ist etwa aus seinem Bochumer Ortsverband zu hören. Alternativen hätte er: Die NRW-FDP bietet Clement bereits Asyl an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen