piwik no script img

Der Designer war schuld

Oder warum die Ausstellung „Besondere Kennzeichen: Neger. Schwarze im NS-Staat“ als Projekt der Aufarbeitung schwarzer Geschichte dem NS-Dokumentationszentrum in Köln so viele Sorgen macht

Der einzige Ort, an den die Ausstellung wandern sollte, ist auf den Müll

von JULIA GROSSE

Die Stadtwappen von Coburg hingen verkehrt herum. Ihr knapper Begleittext verriet: „In den Veränderungen des Wappens der fränkischen Stadt Coburg im 20. Jahrhundert spiegelt sich das Verhältnis der Deutschen zu den Farbigen.“ Der „Mohr“, der lange Zeit und offenbar in ehrwürdiger Rolle das Coburger Wappen zierte, wurde 1934 durch ein so genanntes „Coburger Abzeichen“ ersetzt. Der Führer selbst war für die erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands als Designer tätig geworden. 1953 endlich wurde der „Mohr“ in modernisierter Form wieder in das Stadtwappen übernommen.

Freilich hingen diese Wappen nur versehentlich falsch an der Wand. Doch irgendwie konnte man es als böses Omen für die ganze Ausstellung verstehen. Denn Unstimmigkeiten hatte es bereits im Vorfeld von „Besondere Kennzeichen: Neger. Schwarze im NS-Staat“ zur Genüge gegeben. Am Tag der Pressekonferenz im Kölner NS-Dokumentationszentrum wurde kommentarlos ein Zettel verteilt, auf dem die Autoren der Ausstellung schriftlich erklärten, dass sie mit der Gestaltung und der Qualität der Realisierung der Ausstellung nicht einverstanden seien. Zu den Autoren zählten unter anderem der Projektleiter Peter Martin, Autor des Buches „Schwarze Teufel, edle Mohren“, und dessen Frau, die Fotografin Christine Alonzo. Die Autoren bemängeln die Qualität der Bildreproduktionen, die Schriften seien teilweise zu klein, zudem sei der Ausstellungsraum nicht optimal genutzt worden. Verantwortlich für diese gravierenden Fehler machen die Autoren den Ausstellungsarchitekten Gerd Fleischmann vom Fachbereich Design der Fachhochschule Bielefeld. Fleischmann habe es versäumt, eine Qualitätskontrolle der Reproduktionen vorzunehmen, und sei in der Woche vor der Ausstellungseröffnung nicht vor Ort gewesen, um die Techniker und Handwerker anzuleiten und zu unterstützen. Fleischmann sieht das Ganze wiederum völlig anders. Hinter den Kulissen der Ausstellung gibt es etliche Kommunikationsprobleme.

Vielleicht hängen deshalb die Wappen von Coburg falsch oder sind die Aufnahmen schwarzer Leute, die August Sander Mitte der Zwanzigerjahre fotografierte, ungünstig halb hinter Stellwänden versteckt. Mit der öffentlichen Kritik an Fleischmann durch die Veranstalter hat die Kölner Ausstellung keinen guten Start erwischt. Denn wie soll man sich auf eine Ausstellung einlassen, von der sich Teile der Mitverantwortlichen distanzieren? Dabei hatte die Idee zu dieser Ausstellung zunächst recht viel versprechend geklungen: die Darstellung schwarzer Geschichte in der Weimarer Republik und später unter dem Naziregime mit politischen, aber auch kulturellen Schwerpunkten. Vor allem aber sollte die Strategie zur Produktion rassistischer Stereotype durch die Propaganda durchleuchtet werden.

Doch das Versprechen der Ausstellung wurde nicht eingehalten. Problematisch ist zum Beispiel das Fehlen erklärender und einordnender Kommentare. So wird bei einem Foto des Läufers Jesse Owens, untertitelt mit „Jesse Owens wie ein Affe an einem Seil hochkletternd“, im Zweifelsfalle nicht jedem Besucher eindeutig klar, ob es sich hier nun um den originalen, diffamierenden Naziwortlaut handelt oder nicht. Und der eine oder andere Besucher mit „normalem“ Geschichtswissen stößt garantiert an seine Grenzen, wenn er den Titel des oppositionellen Weimarer Satiremagazins Simplicissimus verstehen will: Ist die Karikatur eines wütenden Affenmenschen auf dem Schlachtfeld etwa eine Parodie? Oder herrschte auch in Simplicissimus-Kreisen der ganz normale Rassismus? Harmonische Rassenbeziehungen zu Schwarzen durch die künstlerische deutsche Avantgarde unterstellt die Ausstellung mit dem Argument, deren Bilder seien von den Nazis ja als entartete Kunst diffamiert worden.

Ob Karikaturen, Fotos von schwarzen Paaren oder Filmszenen, in denen schwarze Kriegsgefangene als Pagen der deutschen Filmindustrie dienten: Der leise Verdacht, dass es hier weniger um die inhaltliche Aufarbeitung geht als darum, auf möglichst jeder Abbildung einen Schwarzen zu sehen, drängt sich auf. Triviale Titel wie „Ganz normale Leute“ zur Beschreibung der Lebenssituation von Schwarzen in Deutschland nach 1918 erinnern an jenen antiquiert verstaubten Ansatz, mit dem man Rassismus vor dreißig Jahren begegnete. Als bei der Pressekonferenz die Verwendung des Wortes „Neger“ im Ausstellungstitel als problematisch kritisiert wurde, verwies Projektleiter Martin auf seine Arbeit als Historiker. Im Rahmen historischer Aufarbeitung sei es nicht einzusehen, die damalige Verwendung dieses Wortes zu ignorieren. Aber warum eigentlich nicht? So lehnt zum Beispiel das Jüdische Museum in Wien heute jede Verwendung historischer Topoi in seiner Kommunikation ab. Auf die Frage, warum nach dem nicht weiter erklärten Ausscheiden des einzigen schwarzen Mitarbeiters, des Theologen Achille Mutombo-Mwana, kein Schwarzer am Ausstellungskonzept mehr beteiligt sei, verteidigte sich Martin mit dem Recht eines jeden, sich innerhalb der demokratisch verfassten Gesellschaft zu beschäftigen, womit er will. Er sei nicht verpflichtet, bei schwarzen Initiativen um Erlaubnis zu fragen. Martin: „Solange alles im Einklang von Gesetz und Moral geschieht.“

Im NS-Dokumentationszentrum geschah vieles nicht im Einklang. Bereits jetzt ist die Ausstellung vielfältiger Kritik ausgesetzt. Der vernichtendste Kommentar kam wohl von einer afrikanischen Journalistin: „Das Ganze ist als Wanderausstellung konzipiert. Den einzigen Ort, an den diese Ausstellung aber wandern sollte, ist auf den Müll.“

„Besondere Kennzeichen: Neger. Schwarze im NS-Staat“. NS-Dokumentationszentrum, EL-DE-Haus, Köln, bis 23. Februar 2003

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen