Der Dalai Lama kommt: Predigt vom Kinderhändler
Lhamo Döndrub, bekannter als Dalai Lama, wird kurz vor der Wahl einen alten Freund in Hannover besuchen – und von Menschen bejubelt werden.
BREMEN taz | Vereinzelt gibt es Resistenzen, aber meist zieht der Dalai Lama deutsche Politiker an, wie ein Fliegenpapier die Fliegen, von links bis rechtsextrem. Und das Volk, die Leute – also die lieben die alte Gelbmütze, ganz ehrlich.
Deshalb ist spannend, wer’s schafft, sich ihm kurz vor der Wahl noch um den Hals zu werfen: Peer Steinbrück hätte jetzt die Gelegenheit. Der wahlkämpft nämlich gerade in Niedersachsen, und da ist Lhamo Döndrub alias Tendzin Gyatsho am Mittwoch und Donnerstag auch zu Besuch, in Hannover und Steinhude. Eingeladen hat den obersten Trülku der Gelug-Buddhisten Geshe Gedun Yonten.
Der 45-Jährige verdient sein Geld mit tibetischer Medizin, die der chinesischen an Seriosität in nichts nachsteht. Außerdem betreibt er das tibetische Kulturzentrum in Hannover sowie Kinderhilfsprojekte in Indien, Kambodscha und Russland.
Eigentlich, so informiert der NDR, hätte sich Yonten von dem Besuch höhere Spendeneinnahmen für diese Projekte versprochen. But no! Er muss die Kosten tragen: Anreise, Technik für die Großveranstaltungen, Sicherheit – na, wird halt mal ein paar Kindern weniger geholfen.
Wobei sich bei diesem Betätigungsfeld ein Kreis schließt: Der Gastgeber und der Dalai Lama kennen sich seit den 1970ern. Sie saßen damals gemeinsam im Kloster und der Dalai Lama war gerade mit einem ganz speziellen Kinderhilfsprojekt beschäftigt.
Er verkaufte 200 Kleinsttibeter an einen Schweizer Industriellen, der sie zur Adoption vermittelte. Zwar lebten die Eltern von 181 von ihnen noch, ein Mitspracherecht hatten sie aber nicht.
Der Filmemacher Ueli Meier hat den Deal jüngst mit der eindrucksvollen Doku „Tibi und seine Mütter“ aufgedeckt. Vielleicht hievt der NDR sie ja aus gegebenem Anlass noch ins Programm. Wenn nicht: Die DVD gibt’s nur bei tibifilm.ch.
Geäußert hat sich der Dalai Lama bislang noch nicht zum Thema. Da böte das Treffen mit SchülerInnen der Leibniz-Schule Hannover doch einen prima Anlass oder auch das mit den Steinhuder Jugendlichen am Donnerstag.
Ideal aber wäre die Gelegenheit am Nachmittag. Da predigt Seine Heiligkeit vor Tausenden von einer Badeinsel im Steinhuder Meer – und das Setting ist so ulkig, das nähme dem Bekenntnis viel von seiner beklemmenden Schwere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity