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Der Bundespräsident in IsraelGauck auf schwierigem Terrain

Joachim Gauck stand bei seinem Israel-Besuch unter besonderer Beobachtung. Fettnäpfchen mied der Bundespräsident. Klar äußerte er sich aber zum Iran.

Joachim Gauck (r.) zusammen mit Israels Präsident Schimon Peres (l.) in der Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem. Bild: dapd

JERUSALEM taz | Als wolle er nicht nur alles richtig, sondern auch besonders gut machen, ließ Bundespräsident Joachim Gauck seinen Eintrag in das Gästebuch der Gedenkstätte ungewohnt ausführlich ausfallen. Wer einmal Jad Vaschem besucht hat, solle wiederkommmen, um beim ersten Mal „mitleiden, mitfühlen, trauern“ zu können für die Opfer und um sich beim zweiten Mal die „Vollstrecker, auch Namen von Schreckensarten“ einzuprägen und zu „erschrecken vor den brutalen Interessen von Herrenmenschen“.

Der Eintrag hat die Form einer Predigt, die den Leser direkt anspricht. „Steh zu dem Land, das hier derer gedenkt, die nicht leben durften“, so Gauck.

Unmittelbar nach dem Staatsempfang bei Präsident Schimon Peres besuchte Gauck am Dienstag die Holocaustgedenkstätte, wo er zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus einen Kranz niederlegte. Auf eigenen Wunsch besichtigte er anschließend noch das Archiv von Jad Vaschem.

Zu Beginn seines Besuches war Gauck ganz offiziell von Israels Präsident Schimon Peres mit militärischen Ehren empfangen worden. „Was mich mit großer Sorge erfüllt“, so erklärte Gauck in der Präsidentenloge, „ist das iranische Nuklearprogramm“.

Es stelle „angesichts der Äußerungen der iranischen Staatsführung“ nicht nur für Israel, sondern auch für Europa eine Gefahr dar. Der Bundespräsident versprach, dass die deutsche Politik für die Sicherheit und das Existenzrecht Israels eintreten werde. „Israel soll in Frieden und in gesicherten Grenzen leben.“

Vater der Nation

Peres warnte vor dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad, der „den Holocaust leugnet“ und doch selbst einen vorbereite. Der Gastgeber nutzte überraschend die Gelegenheit, um auf den Aufstand in Syrien und das jüngste Ausmaß des Blutvergießens einzugehen. Ein Präsident müsse „der Vater der Nation“ sein, sagte er.

In Syrien „wurde er zum Mörder“. Allein mit Erklärungen sei es nicht getan, warnte Peres. „Ich denke, dass die Zeit reif ist, um den Syrern zu helfen, Frieden und Freiheit zurückzuerlangen.“

Vorab veröffentlichte die liberale Tageszeitung Ha’aretz gestern ein ganzseitiges Interview mit dem Bundespräsidenten. Darin erinnert Ha’aretz an den Eklat zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im vergangenen Herbst, als Merkel über den fortgesetzten Siedlungsbau im Westjordanland „vor Wut kochte“ und Netanjahu „kein Wort mehr glaubte“.

Kritik müsse möglich sein

Gauck stellt sich klar hinter die Bundesregierung, die den Siedlungsbau scharf kritisiert. Immer unter der Prämisse, „Israel Frieden und sichere Grenzen“ zu gewährleisten, müsse „unter Freunden Kritik möglich sein“.

Zu einem Zwischenfall im Schatten des Besuchs war es am frühen Morgen gekommen, als Sicherheitsbeamte der Präsidentenloge den arabisch-israelischen Fotografen Ataf Safadi von der Gruppe der Reporter isolierten und dazu aufforderten, sich zu entkleiden.

Safadi, der akkreditiert und angemeldet war, weigerte sich und durfte den Termin nicht wahrnehmen.

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7 Kommentare

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  • AT
    Antonius Theiler. geb.1941

    Ein Verhängnis ist es, wenn ein Volk einem Bücherschreiber nachläuft und sein Buch nicht gelesen hat. Beispiel: Die Deutschen haben „Mein Krampf“ nicht gelesen. In keinem Buch kommt so häufig das Wort Krieg vor (375 mal) und die Deutschen wählten ihn trotzdem. Die freie Welt, insbesondere die Juden lesen Dr. Theodor Herzl nicht. Das Wort „Enteignung“ von Grund und Boden kommt in seinem Buch nicht vor. Er schreibt nur vom Kaufen. Frage: sind die so genannten Zionisten heute das, was Theodor Herzl als Zionist in seinem Werk „Der Judenstaat“ beschrieb? Lesen Sie bitte, bitte, bitte selbst Dr. Herzls Buch „Der Judenstaat“ von 1896, ich kann es nur jedem empfehlen. Es wird Ihnen dann leicht fallen, das Verhalten des Staates Israel zu beurteilen. Dieser Staat hat Dr. Theodor Herzl dort, wo er es sich so sehr wünschte, ohne Not das Begräbnis verweigert, um ein politisches Denkmal in Jerusalem zu schaffen. Es werden auch seine Grundsätze der Jüdischen Staatsgründung mit Füssen getreten. Mit Herzls Worten aus der Einleitung seines einmaligen und ehrlichen Buches kann das Verhalten dieser Staatsführung und der weltweiten Unterstützer beschrieben werden: „Und so entdeckt man bei aufmerksamer Betrachtung, dass mancher scheinbare Judenfreund nur ein als Wohlthäter verkleideter Antisemit jüdischen Ursprungs ist.“ Welch eine traurige Erkenntnis eines Menschen der dem Antisemitismus ein Ende breiten wollte.

  • S
    Schroedingers

    Gebe ich bei Google als Suchbegriff "taz" ein, kommt immer als Seitentreffer der unvergessliche Artikel eines Herrn Yuecel "Ein Stinkstiefel namens Gauck".

     

    Wie bitter nun fuer die taz, dass sie nun von besagtem Herr Gauck mit seinem besonnenem Verhalten und sehr intelligenten Aeusserungen so sehr eines Besseren belehrt wird.

    Wie sehr ein Gauck einen Yuecel in den Schatten stellt, davon darf sich nun jeder selbst ein Bild machen.

  • N
    Normalo

    @I. Quadratwurzel

     

    Mal von der ideologisch eingefärbten Gefasel über Recht und Unrecht der Existenz des Staates Israel (und ihrer Verteidigung) abgesehen, tun SIE jedenfalls Gauck Unrecht.

     

    Was Sie von ihm erwarten würden - eine eigenmächtige Kehrtwende in der Einstellung des deutschen Staates zu Israel -, steht ihm gar nicht zu. Denn unsere Verfassung gibt nicht ihm, sondern der Kanzlerin die politische Richtlinienkompetenz. Solange sie sagt "Deutschland steht an Israels Seite", hat er das allenfalls zu unterstreichen, niemals aber zu konterkarieren.

     

    Im Übrigen spricht Gauck - bei aller weit verbreiteten Skepsis über die israelische Siedlungspolitik - letztlich mit dieser Grundaussage für die breite Mehrheit seines Volkes. Selbst WENN man ihn zu einer Art Volkstribun ausrufen wollte, träfe er also den Kern seiner Aufgabe.

     

    Sie leben in einer parlamentarischen Demokratie - ohne "starken Mann" an der Spitze und Meinungshoheit bei Ihnen persönlich. Vielleicht sollten Sie das nicht vergessen.

  • W
    wolf26

    Gauck ist und bleibt ein Schleimer.

    Wenn er sich jetzt auch noch als

    "Vater der Nation" betrachtet,leidet

    er auch noch unter Größenwahn.Mein

    Vater ist er bestimmt nicht.

  • RA
    ralf ansorge

    wahrheitswidrig ist es, die existenzielle bedrohung israels durch die jetzige iranische regierung zu leugnen.was sie koloniales projekt nennen, wurde notwendig durch die jahrhundertelange unterjochung der juden in europa mit dem schrecklichen höhepunkt schoah den unsere deutsche großelterngeneration zu verantworten hat,was uns nachgeborenen die verantwortung auferlegt,besonders an der seite der juden zu stehen ob hier in deutschlan oder eben gerade in israel.das schließt kritik im detail nicht aus aber grundsätzlich ist das einzige demokrtische land in der ganzen region wohl all diesen extrm korrupten diktaturen eindeutig vorzuziehen und es ist ihm beizustehen.wer heute den namen israel in anführungszeichen setzt ist potenziell nicht besser als die mörder von damals oder deren sympathisanten von heute,auch wenn er oder sie sich links einordnet.aber linker antisemitismus ist ja auch nichts neues,leider.die beiden randlagen des politischen spektrums unterscheiden sich halt nur äußerlich, und das auch immer weniger.

  • MK
    Monika Klaiber

    Danke, Ignaz Quadratwurzel!

    Habe nichts hinzuzufügen, außer einer großen Traurigkeit, wie die Israelis den arabisch-israelischen Reporter behandelt haben...Die Israelis haben versäumt, zu bemerken, dass sie schon sehr lange von Opfern zu Tätern mutiert sind.

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    Zweifelhafte Höflichkeiten !

    Die Mitgliedschaft in der UN bringt nicht nur Rechte sondern auch Verpflichtungen,

    garantiert nur dann ein Existenzrecht wenn die damit gegebenen Verpflichtungen als Mitglied dauerhaft erfüllt werden.

    Dazu zählt der Verzicht auf durch Krieg vorgenommene Gebietserweiterungen und die Einhaltung von Maßgaben des Völkerrechts und der Menschenrechte.

    Ein Staat der zur Einhaltung der Pflichten nicht bereit und Willens ist läuft Gefahr, den Schutz der Völkergemeinschaft zu verlieren. Somit sollte auch Gauck wissen, was und wem er entgegenzutreten hat, wenn er dem Staat „Israel“ ein Existenzrecht sichern möchte.

    Ob es da reicht keinen Widerspruch zu leisten, wenn Simon Peres unverdrossen und wahrheitswidrig behauptet, „Irans Präsident droht mit einer neuen Shoa“, und darauf zu verweisen, sich um eine „diplomatische“ Lösung bemühen zu wollen, darf so bezweifelt werden,

    wie die Sinnhaftigkeit einer „Aussöhnung“ zwischen den nach 1945 entstandenen Staaten „Israel“ und der BRD.

    Die BRD als schuldet den Naziopfern, ihren Angehörigen und Nachkommen etwas, keinem Kolonialprojekt.

    Insoweit ist Gauck ein Versager.

     

    Auch sollte sich Gauck bewusst machen, dass Gedenkstätten für Ideologien missbraucht werden können und Verhandlungen eben nur von Partnern mit gleichen Rechten geführt werden können.

     

    Er hätte sich daher klar für eine UN-Vollmitgliedschaft der Palästinenser in den Grenzen von 1967 aussprechen müssen, wollte er nicht wie offenbar geschehen, der fortgesetzten israelischen Expansion mit Stillschweigen zu begegnen.