■ Der Bundesgerichtshof legt den „Fall Weimar“ zum dritten Mal auf: Vergebliche Suche nach Gerechtigkeit
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat entschieden. Monika Böttcher wird zum dritten Mal wegen Doppelmordes an ihren beiden Töchtern Melanie und Karola vor Gericht stehen.
Schon im Vorfeld des Urteils sind Zweifel angebracht, ob denn nun dieses neue Verfahren, zwölf Jahre nach der Tat, der Wahrheitsfindung dienen wird. Die ersten beiden Urteile, 1988 lebenslange Haft, 1997 Freispruch, zeigen das Dilemma der beiden Landgerichte in Fulda und Gießen auf. Denn die Schwierigkeit, ein brauchbares Urteil zu fällen, fußt auf den schlampigen und einseitigen Ermittlungen der Kriminalpolizei. Diese Fehler der Ermittlungsbehörden in den ersten Wochen nach der Tat sind unübersehbar – freilich kann man sie nicht mehr ungeschehen machen. Auch ein künftiges Urteil wird deshalb vor allem eine Glaubensfrage sein, der Gerechtigkeit wird es nicht dienlich sein.
Die Karlsruher Richter erteilten gestern zudem der Beweiswürdigung ihrer Gießener Kollegen eine Rüge. Diese hatten in der Urteilsbegründung ihres Freispruchs zwar zwei belastende Zeugenaussagen und Indizien als wahr gewertet, aber gleichwohl für die Angeklagte entschieden. Dieser eklatante Widerspruch sei ein Rechtsfehler.
Eine Prognose für künftige Entscheidungen wagte der Vorsitzende Richter Jähnke nicht. Daß die fast schizophrene Entscheidung keinen Bestand haben könne, hatten die Verteidiger von Böttcher schon im Vorfeld geahnt. Der renommierte Hamburger Revisionsanwalt Gerhard Strate übte sich deshalb vorsorglich in ungewöhnlicher Urteilsschelte und ließ durchblicken, daß er in roter Robe ebenso entschieden hätte wie die BGH-Richter. Doch verquerer als der Schuldspruch, der 1988 in Fulda gefällt worden war, ist auch das Gießener Urteil nicht. Strate forderte angesichts der hoffnungslos unübersichtlichen Beweislage, bei der Logik nicht greife, eine „Entscheidung des Herzens“. Geglaubt hat er daran sicher nicht.
Das Landgericht Frankfurt am Main, das nun beim dritten Prozeß gefragt ist, wird es nicht leichter haben als seine Vorgänger. Es wird, falls es zu einer Verurteilung kommt, die vergangene Zeit, die abgesessenen neun Jahre Haft und die Tatsache berücksichtigen müssen, daß Monika Böttcher schon 1997 auf Bewährung hätte entlassen werden können. Ganz gleich, wie die neue Entscheidung ausfällt – eine der Prozeßparteien wird mit ihr unzufrieden sein. Die nächste Revision kommt dann bestimmt. Wahrscheinlich im Jahr 2002. Heide Platen
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