Der Blick der anderen: "Ich konnte das nicht glauben"
Amarjith Nagendram lebt in Dubai - und staunt über die mangelhafte Organisationsfähigkeit der Deutschen beim Bau des BER. Ein Protokoll.
Bei diesem Protokoll handelt es sich um einen Beitrag zur "taz.international", der Silvester-Printausgabe, die unsere gewohnte Blickrichtung - "von innen nach außen" - umkehrt.
„2003 bin ich das erste Mal nach Berlin geflogen. Als ich in Tegel ankam, war ich überrascht, denn ich hatte einen großen belebten Flughafen erwartet. Stattdessen war das Terminal sehr klein, es ging sehr ruhig zu und nur wenig Menschen waren unterwegs. Es war wirklich erstaunlich: Nach der Landung lief ich nur durch einen Raum, nahm mein Gepäck und schon war ich draußen.
Diese Reise war meine erste Europareise überhaupt. Es war ein cooles Gefühl, in Berlin zu sein. Der öffentliche Nahverkehr dort ist so gut organisiert. Ich war verblüfft, wie pünktlich die Busse fahren. Auf den Anzeigetafeln in den Haltestellen wurden die Minuten runtergezählt: 15, 10, 5, 0 Minuten und dann bog der Bus tatsächlich um die Ecke.
Interessant waren für mich auch die unterschiedlichen Menschen auf den Straßen: Alte, Junge, Betrunkene, Menschen, die Musik machen oder malen. Es scheint dort egal zu sein, ob du arm oder reich bist. Niemand belästigt dich, weil du gerade dies oder das tust. Es interessiert einfach niemanden. Anders in Dubai, wo das Leben sehr viel mechanischer und geschäftiger ist. In Dubai leben achtzig Prozent Expats, also Menschen, die gekommen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie stehen früh auf, fahren zur Arbeit, kommen spät nach Hause. Anders als in Deutschland gibt es hier keine geregelten Arbeitszeiten.
Vom Flughafen Berlin-Brandenburg hörte ich das erste Mal, als sich die Nachricht verbreitete, dass ein neuer Flughafen in Berlin eröffnen wird. Ich erinnere mich, dass damals viele Reiseunternehmen Flüge zum BER anboten. Dann las ich im Wall Street Journal und bei der Deutschen Welle, dass der Flughafen doch nicht eröffnet wird, was ich erst mal nicht ungewöhnlich finde, denn Projekte dieser Größenordnung können sich um ein paar Monate verspäten.
Keinen festen Termin
Aber als ich mich dann ein bisschen mehr mit der Sache beschäftigte, war ich doch überrascht. Es schien, als gäbe es keinen festen Eröffnungstermin für diesen Flughafen. Außerdem waren da noch andere Probleme. Dinge, die ich nicht glauben konnte. Ich las, dass man einen Planer eingestellt hatte, der eigentlich technischer Zeichner war. An den Namen erinnere ich mich nicht. Und dass die Kosten falsch berechnet wurden, dass der zwei Milliarden Euro teure Flughafen über fünf Milliarden Euro kostet. Außerdem war zu lesen, dass der neue Flughafen nicht ausreichen werde, um das erhöhte Passagieraufkommen zu bewältigen. Obwohl er so groß ist, reicht er nicht aus, um alle Berlin-Reisenden abzufertigen. Aus meiner Perspektive ist es sehr schwer zu verstehen, dass Dinge wie diese in Deutschland passieren können. Deutschland ist doch eigentlich – made in Germany – für seine Perfektion bekannt. Aber auch wenn es mich überrascht, dass die Dinge so falsch laufen, finde ich es gut, dass trotzdem keine Kompromisse, wie etwa bei den Sicherheitsstandards, eingegangen werden. Auch wenn das Projekt sehr viel teurer und eine Menge Zeit brauchen wird, denke ich, dass am Ende alle Probleme gelöst werden.
Hier in Dubai gibt es zwei große Flughäfen, den neuen Dubai-World Central International und den Dubai International Airport, Letzterer hat drei Terminals, wobei das vierte Terminal gerade gebaut wird. Von Verspätungen bei der Fertigstellung des Dubai-World Central International, einem sehr großen Flughafen, habe ich nichts mitbekommen. Er war vielleicht nicht von Anfang an voll einsatzfähig, aber wurde pünktlich eröffnet.
Sowieso würde man in Dubai nichts über Verzögerungen auf Großbaustellen erfahren. Wir haben keine freie Presse. Natürlich gibt es hier viele private Bauprojekte, wie die Palmeninseln, die sich um fünf oder sechs Jahre verspäten. Doch führt niemand darüber öffentliche Diskussionen. Und auch wenn die Menschen hier davon hören, sie reden nicht darüber oder analysieren die Situation. Sie sind hier, um ihrer Arbeit nachzugehen. Verspätete Großbaustellen interessieren sie nicht. Bei öffentlichen Bauprojekten, wie etwa dem Bau der Metro, gab es in der Vergangenheit eigentlich keine Probleme. Und wenn doch, hatte die Regierung genug Geld, um sie zu lösen.
Das Wichtigste auf der Großbaustelle BER ist jetzt, den technischen Problemen auf die Schliche zu kommen und keine Korruption um sich greifen zu lassen. Na ja, und dann werde ich hoffentlich auch bald mal auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg International landen. Tegel aber mag ich trotzdem.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag