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Der Blick der Kinder

Beim neunten Berliner Medienfestival für Kinder und Jugendliche im Kulturzentrum Weiße Rose steht das eigene Leben im Mittelpunkt

von GRIT FRÖHLICH

Die Kleinsten machen am liebsten Trickfilme. Die Ältesten drehen Filme über Sinnkrisen und Gewalt. Wie bei Erwachsenen prägt auch bei Kindern und Jugendlichen die eigene Erfahrungswelt den künstlerischen Ausdruck. Und von dieser Sorte Film gibt es am Wochenende mehr als zweihundert zu sehen: Kurzfilme auf dem 9. Berliner Medienfestival für Kinder und Jugendliche im Schöneberger Kulturzentrum „Die weiße Rose“.

Von 6-jährigen Kita-Kindern bis zu 25-jährigen Studenten sind im Kulturzentrum Filmemacher aller Altersstufen vertreten. Ohne sich um die Technik zu kümmern, toben etwa die 6- bis 12-Jährigen ihre Ideen in Modenschauen und Tortenschlachten aus. Einen Kinderreim nahmen die Hortkinder der Kita Frankenstraße als Vorlage für ihren Trickfilm „Die Pflaumenhand“. Gedreht haben die Kinder den anderthalbminütigen Film zusammen mit Jürgen Macpolowski vom Medienzentrum Clip, dem Hauptveranstalter des Festivals. „Die Kinder haben ihre selbst gemalten Bilder immer ein Stück weitergerückt“, erklärt Macpolowski die Animation des Trickfilms.

Erstaunlich viele Dokumentarfilme haben die 13- bis 17-Jährigen gedreht. Aber die Spielfilme überwiegen auch hier. Die ernstesten Themen scheint der Schulunterricht hervorzubringen. Mit dem Problem Aids haben sich Claudia und Dian, zwei 16-jährige Schülerinnen aus Weißensee, in ihrem Film „Du und Ich“ beschäftigt. „Beim Drehen war uns manches gar nicht so bewusst. Wir haben ja auch viel gelacht“, erinnert sich Claudia. Als sie den fertigen Film sahen, sei ihnen eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen. „Die Kinder verändern sich sehr schnell. Genauso schnell verändern sich auch die Themen, die sie interessieren“, umschreibt Karin Reck vom Medienzentrum Clip die Motive der Filme. Mit 11 Jahren stand Tina Egler zum ersten Mal vor der Kamera. Inzwischen ist sie 22 und hat in Workshops am Medienzentrum Clip eine Menge Filmerfahrung gesammelt. In der Komödie „Rent A Man“, die in diesem Jahr auf dem Festival läuft, spielt Tina die Hauptrolle. Aber nicht nur die Schauspielerei interessiert sie: „Ich will sehen, wie der ganze Film entsteht.“ Wenn Tina nicht vor der Kamera spielte, stand sie dahinter. „Jeder hatte mal die Kamera“, sagt sie. Und auch geschnitten haben die Jugendlichen den Film selbst. „Ich achte jetzt bei professionellen Filmen auf Schnittfehler“, sagt Tina, „wenn zum Beispiel die Schauspieler auf einmal andere Schuhe anhaben.“

Neben Komödien haben die ältesten Festivalteilnehmer viele kafkaeske und mystische Stücke gedreht. Auch einige Filme von ausländischen Jugendlichen sind zu sehen. „Oft spielen sie im Gangstermilieu“, hat Karin Reck beobachtet. Wegen Sprach- und Schulproblemen sähen diese Jugendlichen für sich kaum Aufstiegschancen. „Deshalb träumen sie davon, sich im Gangstermilieu zu verwirklichen.“

Gefilmt wird auch das gesamte Festival von den Jugendlichen. Im Offenen Kanal werden die Bilder demnächst zu sehen sein. Und dann gibt es noch die Profi-Liga. Markus und Anja, beide 24, sind nicht älter als andere Festivalteilnehmer, aber eindeutig medienerfahrener. Die rasante Entwicklung der Computertechnik schlägt sich auch im diesjährigen Festival nieder. Viele aus der Profi-Liga haben die Filme am Computer geschnitten. Mit Scanner, Computer und Kamera haben Markus und Anja ihren Film „Giana I“ produziert, einen fünfminütigen Streifen, halb Comic, halb Spielfilm: Giana hat es satt, eine Comic-Heldin zu sein. Deshalb bricht sie aus ihrer Comicwelt aus in die reale Welt. Dort muss sie Punkte sammeln, um zu überleben, wie in einem Computerspiel.

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