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■ Der Angriff auf den Irak hinterläßt einen politischen Scherbenhaufen. Clinton hat zerstört, was er in Nahost aufgebaut hatteGott schütze uns vor Amerika

Als Bill Clinton am Sonntag früh um 2 Uhr Bagdader Ortszeit auf dem Bildschirm erschien und das Ende der Operation Wüstenfuchs verkündete, war er ein doppelt geschlagener Mann. Wenige Stunden zuvor hatte das Repräsentantenhaus nach einem dramatischen Tag zum zweiten Mal in der Geschichte der USA für eine Amtsenthebung des Präsidenten gestimmt, während gleichzeitig sein Intimfeind Saddam Hussein auch nach vier Tagen Bombenhagel auf den Irak keinerlei Schwäche zeigte.

Für Saddam Hussein war es bereits eine besondere Genugtuung, daß er den Vorgänger Clintons, George Bush, politisch überlebt hat. Jetzt steht zu befürchten, daß Saddam Hussein auch William Jefferson Clinton noch ein paar höhnische Abschiedsworte hinterherschicken wird, wenn dieser sich mit einer zerrütteten Ehe in sein Privatleben zurückziehen muß. Der politische Arm der „moral majority“ Amerikas ist nicht davor zurückgeschreckt, auch den Oberbefehlshaber im Einsatz aus dem Amt zu jagen – sollte der Zeitpunkt des Angriffs auf den Irak also mit dem drohenden Impeachment gekoppelt gewesen sein, war es ein zynisch anmutender Flop. Aber auch wenn der Angriffsbefehl des Präsidenten, wie Verteidigungsminister Cohen nicht müde wurde zu betonen, allein aus außenpolitischen Motiven gespeist war, was ist das Ergebnis?

Unsere militärischen Ziele wurden erreicht, behauptete Clinton pflichtgemäß zum Abschluß der Angriffe. Die zuvor ausgewählten militärischen Einrichtungen des Irak, die vernichtet werden sollten, wurden vernichtet. Das Rüstungsprogramm Saddam Husseins sei um ein Jahr zurückgeworfen worden. Heißt das, daß dieselbe Art Abrüstungsaktion nun einmal pro Jahr durchgezogen wird? Selbst wenn man gewillt ist, die damit verbundenen zivilen Opfer in Kauf zu nehmen, kann das ja wohl keine außenpolitische Strategie sein.

Zu Beginn der Angriffe hieß es kaum verklausuliert, das Ziel ist Saddam Hussein. Es dürfte auch Clinton und Blair klar gewesen sein, daß Saddam Hussein nicht durch Luftangriffe getötet oder aus dem Amt gejagt werden kann. Werden nun, nachdem die Republikanischen Garden geschwächt sind, Bodentruppen eingesetzt, um zu Ende zu bringen, was man einmal angefangen hat, und wird sich die Opposition im Lande nun erneut gegen Saddam erheben?

Es ist klar, daß alliierte Bodentruppen nicht in Erwägung gezogen werden, und auch ein Volksaufstand dürfte für jeden Beobachter des Irak eine Riesenüberraschung sein. Saddam Hussein ist ein Unglück für die Menschen im Irak und eine potentielle Bedrohung für seine Nachbarn – kein Zweifel. Erhebliche Zweifel muß man allerdings gegenüber den Ankündigungen haben, die USA wollten Saddam jetzt wirklich loswerden. Was hat sich gegenüber 1991, als Bush General Schwarzkopf kurz vor Bagdad stoppte, geändert? Nach wie vor gibt es keine politische Kraft, die den Irak nach Saddam zusammenhalten könnte, nach wie vor droht das künstliche Gebilde Irak in einen kurdischen Teil im Norden und einen schiitischen im Süden zu zerbrechen, nach wie vor würde das den Iran enorm stärken. Und das ist das letzte, was die USA wollen.

Bleibt als Begründung der Angriffe die Bedrohung der internationalen Sicherheit durch Massenvernichtungswaffen. Saddam Hussein hat bewiesen, daß er nicht davor zurückschreckt, chemische Waffen einzusetzen. Ergo, heißt es, wird er auch nicht davor zurückschrecken, biologische oder atomare Waffen einzusetzen, wenn er sie denn hätte. Das mag sein, trotzdem bleibt die Frage, ob Saddam Hussein eine singuläre Erscheinung ist, die bewaffnete Abrüstungsaktionen rechtfertigt.

Man hat Saddam mit Hitler gleichgesetzt; in den USA neigen viele dazu, in Saddam das personifizierte Böse zu sehen. Das ist nicht nur dumm, es verhindert auch politische Lösungen.

Saddam Hussein ist ein Despot unter vielen anderen, wenn auch ein besonders brutaler. Seine Aggressionen gegen den Iran und Kuwait entsprangen nicht seiner bösen Seele; sie folgten vielmehr klarer Rationalität. Deshalb sind sie nicht zu rechtfertigen, aber sie sind politisch kalkulierbar. Saddam Hussein ist unter dem Gesichtspunkt der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ein Problemfall unter anderen. Was ist mit Iran, Libyen, Syrien, Israel, Pakistan, Indien, Nord-Korea etc.?

Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ist die größte Gefahr für den Weltfrieden. Es gibt keine einfache Antwort darauf, wie diese Gefahr einzudämmen ist. Doch klar ist: Wegbomben kann man sie nicht. Abrüstung ist ein mühsamer Prozeß, der auf Geben und Nehmen beruht und letztlich nur funktionieren kann, wenn alle Beteiligten davon profitieren. Das setzt einen mühsam ausbalancierten Interessenausgleich voraus. Vor allem im Nahen Osten mit den krassen Unterschieden zwischen reichen Ölstaaten auf der einen und verarmten Massen auf der anderen Seite ist das nicht einfach. Dazu kommt das palästinensisch- israelische Dauerproblem und eine religiös enorm aufgeheizte Atmosphäre.

Clinton hat versucht, diese Faktoren zu berücksichtigen. Er ist, nach langem Zögern, nach Gaza gegangen, um den Palästinensern und damit den Arabern insgesamt zu zeigen, daß die USA nicht nur einseitig israelische Positionen vertreten. Das war ein verheißungsvoller Schritt. Clinton wußte, daß ein Bombardement während des Ramadan für das Ansehen der USA und des Westens insgesamt verheerend ist. Er hat merkwürdigerweise geglaubt, das wäre zwei Tage vor Beginn des Fastenmonats nicht so (als wenn ein katholisches Land einen Angriff zwei Tage vor Weihnachten als weniger blasphemisch empfinden würde). Tatsächlich hat Clinton mit der einen Hand weggeschlagen, was er mit der anderen aufgebaut hat. Die US-Fahnen, die am Montag zu seiner Begrüßung in Gaza begeistert geschwungen wurden, brannten bereits am Donnerstag. In Damaskus wurde gar – wer dächte da nicht an Teheran – die US-Botschaft gestürmt. Monate, wenn nicht Jahre diplomatischer Bemühungen im Nahen Osten zerstoben so im Bombenhagel auf Bagdad.

Im Moment weiß wohl niemand, wie es weitergeht. Clinton ist geschwächt und wird außenpolitisch nichts mehr bewegen. Saddam wird eine Rückkehr der UN- Waffeninspektoren verweigern, der Frieden im Nahen Osten ist in weite Ferne gerückt. Clinton, Präsident der letzten Supermacht, hätte sich keinen schlechteren Abgang bereiten können. Jürgen Gottschlich

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