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Der Aküfi verbreitet in West und Ost

■ Aküfi — Abkürzungsfimmel/ Von einmaligen Leistungen der Sprachfindung, Oibes, Nibes und anderen

Sage mir bloß keiner, die gute alte Zone habe nichts einzubringen gehabt in unser Deutschland einig Vaterland. Gut, jede Menge Arbeitslose, völlig marode Betriebe und eine Reihe ökologischer Katastrophen — damit kann man nicht unbedingt glänzen. Aber die einmaligen Leistungen auf kulturellem Gebiet! Diese ausgeprägte Fähigkeit, die Welt auf wenige Buchstaben zu verkürzen — ist das etwa nichts? Ob SMH für Schnelle Medizinische Hilfe oder VPKA für das Volkspolizeikreisamt, die Zonis waren ganz ungedopt Weltmeister im Kürzeln. Gut, diese Dinge gab's zu Zeiten zweier Deutschlands auch im Westen. Sie hießen zwar manchmal etwas anders, vor allen Dingen aber fehlte ihnen eines: 'ne knackige Abkürzung. Natürlich, manche Kürzel im Osten sind so abgefeimt, daß es uns im Westen auch heute noch schlichtweg die Sprache verschlägt. Für einen Oibe gibt es im Wessi-Deutschland einfach kein Gegenstück. Was? Immer noch unbekannt, was ein Oibe ist? Aber das würden die Oibes selbst wohl auch am liebsten ganz schnell vergessen. Oibe, das waren die Offiziere im besonderen Einsatz der Stasi. Und was das ist, ist mittlerweile hinreichend bekannt, oder? Als Oibe konnte man manchmal ganz schön Karriere machen und sogar OB wie Oberbürgermeister von Magdeburg werden. Ganz ungekürzelt hieß der Mann Nothe. Werner mit Vornamen. Und ist heute freischaffender RA, Rechtsanwalt nämlich [wie wär's mit eORA: ehemaliger Offizier ohne Rechtsauffassung. sezza]. Die Nibes müssen sich heute weniger Sorgen machen. Für sie hat sich nicht allzuviel geändert. Was? Nibe ist auch noch unbekannt. Das war eine Dame im Dienste der Stasi, die nicht mit dem Kopf, sondern mit einem ganz anderen Körperteil spitzelte. Original-Stasi-Jargon: Nutte im besonderen Einsatz. Nach Auflösung der Stasi wurde diese Dame wieder ins zivile Nachtleben entlassen und dabei auch gleich degradiert: Zur HWG-Person. Im vollausgeschrieben Bürokratendeutsch (Ost): zu Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern. Das hat doch Kultur, das ist doch ausgereift bis ins letzte! Und der grüne Tritin, niedersächsischer Bundes- und Europaminister seines Zeichens (ohne Kürzel), der hat den Trend messerscharf erkannt. Endlich dürfen die Lehrer in Niedersachsen wieder „BRD“ zu Deutschland sagen, ohne gleich den Boden der FDGO zu verlassen. Und auch Wolfsburg, die Stadt nahe der alten Zonengrenze, wollte die neue Zeit nicht alleinziehen lassen. Für viele DM engagierten die Stadtväter eine WA, also eine Werbeagentur, die ein knackig verkürztes neues Iiih wie Image für Wolfsburg kreieren sollte. Und was fiel denen ein? Wolfsburg hat WOB. Das ist nichts weiter als das Autokennzeichen der Stadt, die sich ja auch bislang schon nur aus den Buchstaben V und W buchstabierte. Auf der ITB in Berlin, da wird der neue Slogan gerade ausprobiert. Und was passiert? WOB lft und lft und lft... Eberhard Löblich

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