: Depotstimmrecht und die Macht der Banken
Heute findet in Bonn ein Bundestagshearing zum Thema Bankenmacht statt / Dabei geht es auch um das Depotstimmrecht der Banken Anweisungen der Deutschen Bank aus dem Jahre 1937:“...und mit möglichst viel Material in die Hauptversammlung...“ ■ Von Arno Gottschalk
Ist die Wahrnehmung den Depotstimmrechten durch Banken ordnungspolitisch problematisch? Kann den Banken ein wettbewerbsverzerrender Mißbrauch von Wirtschafsmacht konkret nachgewiesen werden? - Mit diesen und anderen Fragen befaßt sich heute eine Anhörung zum Thema „Bankenmacht“, die vom Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestags durchgeführt wird.
Für die wenigen kritischen Sachverständigen, die eingeladen wurden, sind diese Fragen durchaus eine harte Nuß. Sie können zwar darauf verweisen, daß die Großbanken - und speziell die Deutsche Bank - die Hauptversammlungen der größten Aktiengesellschaften beherrschen. Und sie können auch zeigen, daß das Frankfurter Bankentrio seine Stimmenmacht offenkundig dazu benutzt, um seine eigenen Vorstands-, Aufsichtsrats- und Beiratsmitglieder in großem Umfang in die Aufsichtsräte der betreffenden Gesellschaften zu wählen. Aber wie kann man/frau der Deutschen Bank & Co. konkret nachweisen, daß sie sich mit den Stimmrechten ihrer Depotkundschaften tatsächlich wettbewerbspolitische Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen?
Dies dürfte schwierg sein. Von dieser Stelle aus soll deshalb zumindest in Erinnerung gebracht werden, was die Zentrale der Deutschen Bank an ihre Niederlassungen schrieb, als 1937 die bis heute nur unwesentlich veränderte Regelung zum Depotstimmrecht in Kraft trat, und die Banken erstmals eine ausdrückliche Vollmacht einholen mußten, um die Kundenaktien vertreten zu dürfen. Zum Beispiel das Schreiben vom 16.Dezember 1937, betreffend die Hauptversammlung der Mannesmannröhren-Werke in Düsseldorf.
Unter Verweis auf ein früheres Rundschreiben heißt es dort: „Wie Sie bereits aus dem Vermerk in diesem Rundschreiben ... ersehen haben werden, haben wir in diesem Falle ein besonderes Interesse daran, mit möglichst viel Material in der Hauptversammlung vertreten zu sein. Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, daß wir, wie wir es kürzlich in der Hauptversammlung eines bedeutenden Groß-Unternehmes erleben mußten, infolge der neuen Regelung des Depot -Stimmrechts unvergleichlich weniger stark als früher mit Material in der Hauptversammlung vertreten sind. (...)
Aus diesem Grunde wollen Sie nichts unversucht lassen, in möglichst großem Umfange Stücke zur Vertretung zu erlangen. Soweit Sie von Ihrer Privat-Kundschaft nicht die allgemeine Ermächtigung erhalten, können Sie mit Einzel-Ermächtigungen von Ihren Privat-Kunden vorliebnehmen, was für uns immer noch günstiger ist, als wenn uns das Material überhaupt nicht zur Vertretung überlassen wird.
Ihnen dabei etwa erwachsende Unkosten, wie Porto- oder Telefonspesen, dürfen auf keinen Fall ein Hindernis bilden. Im Vordergrund muß vielmehr unbedingt unser Interesse an der Behauptung unserer Position stehen. Wir erwarten, daß es Ihren Anstrengungen gelingt, uns in diesem Bestreben wirksam zu unterstützen.“
Tatsächlich fiel die Unterstützung eher mau aus, so daß sich der Vorstand der Bank elf Tage später in einem geharnischten Schreiben an die Direktoren der Filialen (den sogenannten Kopftstellen) wandte. Anküpfend an das soeben zitierte Rundschreiben heißt es dort unter anderem:
„Während die einzelnen Stellen unseres Hauses hier (in Berlin - A.G.) mit Erfolg tätig waren, Ermächtigungen zu unserer Vertretung zu erhalten, sodaß von diesen Abteilungen fast die gleichen Summen wie zu den früheren Versammlungen angemeldet werden konnten, hat uns das Resultat unserer auswärtigen Niederlassungen eine starke Enttäuschung bereitet. (...) Die Situation ist dadurch für uns eine äußerst unbequeme und lediglich herbeigeführt durch das geringe Interesse einer größeren Anzahl unserer auswärtigen Niederlassungen. Ein derartiger Fall darf sich daher nicht wiederholen. Wir erwarten deshalb von den Leitern unserer auswärtigen Niederlassungen, daß sie sich ganz besoders dafür einsetzen, möglichst alle Depotstücke von uns vertreten zu erhalten. (...)
Trotz der Erschwerung, die das neue Aktienrecht mit sich bringt, müssen wir es durch erhöhte Anstrengung erreichen, künftig mindestens in demselben Ausmaße Aktienmaterial zu vertreten wie vor Inkrafttreten dieses Gesetzes, zumal wir derartige Anstrengungen bei unseren Nachbarbanken täglich beobachten. (...)“
Diese Anweisungen klingen schon ganz anders als die Mär, die seit Jahr und Tag von der Bankenlobby heruntergebetet wird. Man wird natürlich einwenden, daß sie schon über 50 Jahre alt sind und daß sich die Zeiten geändert haben. Demgegenüber ist festzustellen, daß die Banken schon seit hundert Jahren behaupten, daß die stimmrechtsmäßige Vertretung ihrer Kundenaktien wettbewerbs- und machtpolitisch unbedeutsam sei. Zumindest die Deutsche Bank hat somit - siehe oben - die Öffentlichkeit in diesem Punkt jahrzehntelang belogen.
Es ist somit an ihr, den Nachweis zu bringen, seit wann es für ihre geschäftliche Position gleichgültig ist, mit wieviel Material sie in den Hauptversammlungen vertreten ist. Da sie bei führenden Aktiengesellschaften bis heute mit durchschnittlich 20 Prozent die größten Stimmpakete kontrolliert, wird man bis zu diesem Gegenbeweis vermuten dürfen, daß sich nichts geändert hat.
Der Autor ist Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung
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