Denkmal in Wedding eingeweiht: Ein schwacher Trost
Ein neues Denkmal in Wedding erinnert an Opfer sexualisierter Gewalt in Kriegen. Dabei gibt es bereits eine Statue dazu – die aber verschwinden soll.

Die Statue stand bisher in Den Haag und ist jetzt auf Initiative des neu gegründeten Vereins Sasvic für zwei Jahre nach Berlin gezogen. Anschließend soll sie in Wasenaar in den Niederlanden ein Zuhause finden.
Ein Denkmal für Opfer sexualisierter Gewalt in Kriegen – war da nicht was? Richtig, seit 2020 erinnert nur wenige Kilometer entfernt die Friedensstatue des Korea-Verbandes daran. Sie stellt eine sogenannte Trostfrau dar: eine koreanische Sexsklavin, die im Zweiten Weltkrieg japanischen Soldaten zu Diensten sein musste.
Doch die Statue soll nach dem Willen des Bezirks Mitte bis Ende September abgebaut werden und auf ein privates Grundstück ziehen. Die Begründung: Privat initiierte Kunst dürfe in dem Bezirk nur für zwei Jahre im öffentlichen Raum stehen. Der Korea-Verband hat angekündigt, dagegen zu klagen, die Erfolgsaussichten sind gering.
Die Friedensstatue ist Japan ein Dorn im Auge
Ob Vorschriften des Bezirks zu Kunst allerdings überhaupt der wahre Grund für den Umzug sind – daran gibt es Zweifel. Denn die Friedensstatue ist der japanischen Regierung seit Langem ein Dorn im Auge. Deren Vertreter haben intensiv für den Abbau der Statue lobbyiert – beim Bundeskanzleramt wie beim Bezirksamt Mitte. Zudem haben sie die Städtepartnerschaft mit Tokio sowie japanische Investitionen in Berlin infrage gestellt.
„Die Friedensstatue in Moabit hat gezeigt, wie groß das Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt in Kriegen ist“, sagte die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), am Dienstag bei der Einweihung der Skulptur in Wedding. „Hier hat der Korea-Verband wertvolle Pionierarbeit geleistet.“ Langfristig wünscht sie sich ein dauerhaftes Denkmal in ihrem Bezirk zu dem Thema. „In unserem Bezirk mit Menschen aus mehr als 100 Nationen schlummern noch viele solche Erlebnisse, die erzählt werden müssen“, betonte Remlinger.
Allerdings hat vor der Einweihung keine Kommunikation mit den Anwohnern stattgefunden. Presseeinladung und Erklärtafel der Statue sind nur auf Englisch verfasst. Zwei ältere Männer verfolgten die Zeremonie ungläubig von ihren Fenstern aus. Eine Anwohnerin fragte im Anschluss die Bezirksbürgermeisterin nach dem Sinn des Denkmals und kritisierte, dass es auf einer Grünfläche steht, während die auf versiegeltem Grund stehende Friedensstatue verschwinden soll.
Bei der Einweihung sprach auch Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad. Die Überlebende des Genozids an den Jesiden ist seit 2016 Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel. In ihrer Rede lobte sie das „weltweit erste universelle Mahnmal zu diesem Thema. Es zeigt unseren Schmerz und unseren Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit.“
Nadia Murad, Friedensnobelpreisträgerin
Die Historikerin Regina Mühlhäuser vom Hamburger Institut für Sozialforschung, die seit Jahrzehnten zu sexualisierten Kriegsverbrechen durch Wehrmacht, SS und auch durch das japanische Militär forscht, sieht die neue Statue hingegen zwiespältig. „Einerseits ist eine weitere Statue zu diesem Thema in Berlin wünschenswert“, sagte sie der taz. „Aber dass diese zeitnah zu der Abbauverfügung gegen die Friedensstatue eingeweiht wird – das sieht nach einer Instrumentalisierung aus, um den Konflikt zu entschärfen.“
Mühlhäusers Kritik richtet sich auch gegen die künstlerische Ausführung: „Die Angst und Bewegungslosigkeit, die die Statue darstellt, sind nur Facetten der Erfahrung von Überlebenden. Die Frauen werden nicht als aktive Subjekte gezeigt.“ Kritik kommt auch von Mithiko Kajumura von der japanischen Fraueninitiative in Berlin. „Mir erscheint das neue Denkmal als ein Ersatz für die Friedensstatue, der von oben kommt. Die Friedensstatue hingegen kommt von unten, ist im Kiez verankert. Anwohner bringen immer frische Blumen.“
Anders als die Friedensstatue vermeidet das neue Denkmal zudem, Konflikte konkret zu benennen. Es enthält lediglich eine Reihe sehr kleiner Symbole, die einzelnen Gruppen oder Ereignissen gewidmet sind: etwa eine Taube für kongolesische Überlebende. An die Ausbeutung koreanischer Frauen durch japanische Soldaten soll das Datum „14. August 1991“ erinnern. Das ist jener Tag, an dem erstmals eine Überlebende das Schweigen brach. Kaum vorstellbar, dass Japan deshalb protestiert, denn das Datum muss man mit der Lupe suchen.
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