piwik no script img

Deniz Yücel in U-Haft in der TürkeiRegierung fordert Zugang

Bundeskanzlerin Merkel fordert die Freilassung des „Welt“-Korrespondenten. Ihm drohen in der Türkei bis zu zehneinhalb Jahre Haft.

Auch in Frankfurt am Main: ein Korso für Deniz Yücel Foto: dpa

Berlin taz | Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist am Mittwoch in die rund 80 Kilometer von Istanbul entfernte Haftanstalt Silivri verlegt worden. Sein Anwalt Veysel Ok sagte, er kenne seine dortigen Haftbedingungen noch nicht. Yücel, der als Korrespondent für die Welt arbeitet, drohen bei einer Verurteilung bis zu zehneinhalb Jahren Haft. Dies sei die Höchststrafe für Volksverhetzung und Terrorpropaganda, die ihm vorgeworfen werden, sagte sein Anwalt.

Die Bundesregierung bekräftigte, sie erwarte, dass Yücel bald freikomme. Er habe sich freiwillig der Justiz gestellt, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Schon deshalb sei es völlig unverhältnismäßig, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Die Bundesregierung dringe dar­auf, dass Konsularbeamte Yücel umfassend betreuen können, und setze sich auf allen diplomatischen Kanälen für ihn ein.

Merkel fordert Freilassung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit Nachdruck die Freilassung des in Istanbul inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel gefordert. „Wir denken an diesem Abend auch an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern“, sagte Merkel am Mittwoch in ihrer Aschermittwochsrede in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundesregierung werde „alles in ihrer Macht stehende tun, damit das geschieht.“ (afp)

Seibert verwies darauf, dass derzeit sechs weitere deutsche Staatsbürger in der Türkei inhaftiert sind. Auch die Grünen fordern Yücels Freilassung. Bei ihrem Politischen Aschermittwoch in NRW hielten Parteichef Cem Özdemir und NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann Schilder mit der Aufschrift „#freedeniz“ hoch. Die Bundesregierung müsse „den Druck auf die Türkei deutlich erhöhen“, sagte Özdemir der taz.

Anders als die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen und FDP-Chef Christian Lindner sprach sich Özdemir gegen ein Einreiseverbot für den türkischen Präsidenten Erdoğan aus. „Mir wäre es am liebsten, Erdoğan würde nicht in Deutschland für seine antidemokratische Propaganda werben“, sagte Özdemir. „Aber wenn Erdoğan hier reden darf, dann sollten auch türkische Oppositionelle in der Türkei und hier reden dürfen, zum Beispiel Selahattin Demirtaş, der im Gefängnis sitzt. Die Bundesregierung kann das gern zur Bedingung machen.“

Özdemirs Parteifreund Özcan Mutlu schlug zudem vor, Außenminister Sigmar Gabriel oder Justizminister Heiko Maas (beide SPD) sollten „schnellstmöglich“ nach Ankara reisen. Die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen forderte, auch „Sanktionen gegen Erdoğan und seinen Clan, wie etwa die Sperrung von Konten, zu prüfen“.

Unterdessen wurde bekannt, dass der türkische Justizminister Bekir Bozdağ am Donnerstagabend in Gaggenau auftreten wird. Nach Angaben der türkischen Regierungspartei AKP handelt es sich um einen Wahlkampfauftritt, bei dem der Minister für ein Präsidialsystem in der Türkei werben will.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Der Militärputsch in Ägypten und

    die Entmachtung Mohamed Mursis hatten Einfluss, denn bis zu diesem Moment war Erdogan noch ein

    Partner.

    Erdogan begrüßte die Wahl Mursis, es bewies ja, das eine islamisch geprägte Partei demokratisch gewählt

    werden kann, AKP oder Muslimbrüder.

    Die EU protestierte nur schwach gegen den Militärputsch in Ägypten und ließ Mohamed Mursi fallen wie eine

    heiße Nadel.

    Damit war das Experiment einer islamisch geprägten Partei in Ägypten gescheitert.

    Das hat Erdogan vor Augen geführt, wie unsicher der Partner im Westen für ihn und seine AKP sind.

    Nach dem Militärputsch in Ägypten entfernte sich Erdogan bereits von Europa,

    nachdem auch noch gegen ihn, in der Türkei, versucht wurde zu putschen, war der Bruch mit dem Westen offen.

    Wieder war nicht deutlich Partei ergriffen worden für den Präsidenten.

    Also würde ich momentan sagen, die Türkei will uns nun deswegen herausfordern.

  • Und was ist mit den anderen Deutschen wie Özel Sögüt? Erst nach fast 3 Monaten bekam das deutsche Konsulat die Erlaubnis ihn zu sehen.

    Das wurde von der TAZ leider bisher völlig ignoriert.

    • @JoWall:

      Das ist der Vorteil der doppelten Staatsbürgerschaft.

  • "…Unterdessen wurde bekannt, dass der türkische Justizminister Bekir Bozdağ am Donnerstagabend in Gaggenau auftreten wird…"

     

    Ja wie?

    Gaggenau, Baden-Württemberg, Deutschland

    Todtnau, Baden-Württemberg

    Luftentfernung:

    111.70 km

    Entfernung:

    153.91 km

    Dauer:

    1 Stunde 46 Minuten bei 160 km/h Cannonball wg Ungläubige

    Gesamtkraftstoffverbrauch: 49.25 € | 30.78 L. | 0.32 €/km Dauer: 58 Minuten

     

    Das müßte doch hinzukriegen sein.

    Für nen Kranzabwurf beim

    Heideggers Martel - gell!

    • @Lowandorder:

      Die türkischen Politiker kümmern sich wenigstens liebevoll persönlich um ihre Mitbürger im Ausland.

      • @Jürgen Matoni:

        Wir haben ihnen ja mit dem Doppelpass auch die Rechtfertigung gegeben.

         

        Jetzt pickt halt Herr Erdogan die Rosinen, die ihm schmecken und nicht Herr Yücel.