orte des wissens: Den Menschen in freier Wildbahn erforschen
Am Göttinger Uni-Zentrum für Human Cognition and Behavior will man mit „natürlicher“ Laborumgebung Hirnaktivitäten bei Entscheidungsprozessen und Interaktion messen
Auf dem Göttinger Universitätscampus, direkt neben dem Psychologieinstitut, wird zügig gebaut: Ende 2026 soll hier der Forschungsbau Human Cognition and Behavior – kurz HuCaB – stehen. Fünf Etagen hoch, mit modernsten Laboren, Büroräumen, offenen Arbeitsbereichen, und Therapieräumen soll hier interdisziplinäre Forschung stattfinden, die sich mit menschlichen Hirnprozessen, Emotionen und Entscheidungen beschäftigt.
Dabei werden besonders Interaktionen betrachtet, und man untersucht, wie die Hirnaktivität von Menschen aussieht, wenn sie zusammenarbeiten, sich im Wettbewerb befinden oder gemeinsame Erfolge erzielen. „Uns interessiert, wie Personen gemeinsam entscheiden und wie zum Beispiel die Wahrnehmung meines Gegenübers in einer Entscheidungssituation mein eigenes Entscheidungsverhalten beeinflusst“, erklärt Anne Schacht. Die Psychologieprofessorin ist Sprecherin des Projekts und begleitet den Forschungsbau schon vom ersten Konzept an.
Die Idee, ein solches Gebäude zu schaffen, entstand 2018. Damals war HuCaB nicht mehr als eine Vision: ein Gebäude, in dem in hochmodernen Laborumgebungen geforscht werden kann und Forscher:innen aus verschiedenen Disziplinen zusammengebracht werden. „Uns war wichtig, ein Gebäude zu schaffen, in dem viel Interaktion stattfindet und auch spontan über Ideen gesprochen werden kann“, betont Schacht. 2022 kam dann die Förderzusage, Anfang 2024 begann der Bau. Gefördert wird das Projekt mit rund 60 Millionen Euro von Bund und Land. Im Juni dieses Jahres wurde Richtfest gefeiert. Jetzt startet der Innenausbau.
Die Labore bilden dabei das Herzstück des Forschungsbaus. Die Infrastruktur des Gebäudes ist speziell darauf ausgerichtet, die Labortechnik bestmöglich integrieren zu können, da beispielsweise der Magnetenzephalograph, ein hochsensibles Messgerät zur Erfassung der Hirnaktivität, viel Platz und ein spezielles Kühlsystem braucht. Neben dem Magnetenzephalographie-Labor wird es 50 identische Laborräume für Verhaltenstestungen sowie weitere vor Ort entwickelte Labore mit anderen Geräten zur Hirnaktivitätsmessung geben.
Dabei sind die Labore so ausgestattet, dass sie einerseits einladend wirken und alltäglichen Umgebungen ähneln und andererseits präzise Messungen erlauben. „Wir wollen Laborumgebungen schaffen, die gleichzeitig lebensnahe Umgebungen abbilden und trotzdem das hohe Maß an Kontrolle bieten, das wir für unsere Messungen brauchen“, sagt Schacht. So sind etwa spezielle „Exploration Rooms“ mit hochauflösenden Kamerasystemen geplant, die Bewegungsmuster detailliert aufzeichnen können. Diese Räume sollen es ermöglichen, menschliches Verhalten in nahezu natürlichen Szenarien zu untersuchen.
Ein weiterer Fokus des Forschungsbaus liegt auf interdisziplinärer Kooperation. Im HuCaB finden Forscher:innen aus Psychologie, Kognitionswissenschaft, Psychiatrie, den Neurowissenschaften, aus Mathematik, Biologie, Physik, Informatik und Data Science zusammen, um menschliches Hirnprozesse und menschliches Verhalten aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.
„Das Schöne an interdisziplinärer Forschung ist, dass man neue Fragestellungen, Ideen und Perspektiven entwickeln kann, auf die man alleine wahrscheinlich so nicht gekommen wäre“, sagt Schacht. Für sie geht ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung: „Die Vorstellung, zukünftig unter idealen Arbeits- und Laborbedingungen genau die Forschung machen zu können, die mich begeistert – gemeinsam mit großartigen Kolleginnen und Kollegen in einem Haus, das wir mit Leben füllen –, ist für mich ein Lebenstraum.“ Karima Küster
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen