: Den Kopf im Gasherd
Herz zu Tod: Current Circuit mit einem Heiner-Müller-Pärchen in der Brotfabrik
„Sie war tot, als ich nach Hause kam.“ So findet ein Mann seine Frau nach ihrem Selbstmord in der Küche auf. Um seine Reaktion geht es in „Todesanzeige“, einem Text von Heiner Müller. Ja der, dessen Stücke vielen als unspielbar gelten, als monströs und katastrophenverliebt. Warum da nicht die Prosa inszenieren. Nicht klassisch oder naturalistisch natürlich, sondern als Bilderbogen mit rezitierten, wiederholten Handlungsstückchen. Keine leichte Kost. Doch einen Abend im Tal der Tränen hat Regisseur Klaus Gehre aus dem Eingeweide zerreißenden Thema nicht gemacht. Vielmehr verpasste er den Textfetzen ein Sinn stiftendes „Herzstück“. Dieser makaber-hintersinnige Dialog von Müller erscheint plötzlich als Vorspiel zu dem Geschlechterkampf, an dessen Ende die Frau mit ihrem letzten Trumpf, dem Ausstieg, sticht. Das Vorspiel ist das Schönste, lustvoll ausgekostet von Pitti und Schnattchen, einem rettungslos aneinander gestrickten Pullover-Paar. Richtig amüsant, solange man nicht dran denkt: Heiner Müller schrieb „Todesanzeige“, nachdem er seine Frau leblos in der Küche aufgefunden hatte.
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