Demos gegen niedrige Altersbezüge: Spaniens Rentner protestieren

Die Lebenshaltungskosten steigen. Hunderttausende sind in Spanien gegen den Kaufkraftverlust ihrer Renten auf die Straße gegangen.

Wollen mehr: Protestierende in Barcelona Foto: dpa

Madrid taz | Hunderttausende Rentner haben am Samstag in mehr als 100 spanischen Städten für „würdige Renten“ demonstriert. Gerufen hatten die Gewerkschaften und in den letzten Monaten entstandene Rentnerkomitees. Es war der bisherige Höhepunkt eines Konfliktes, der seit Monaten andauert. Die Regierung hat für 2019 eine Rentenerhöhung von 0,25 Prozent zugesichert, die Lebenshaltungskosten stiegen 2017 aber um 2 Prozent.

Künftig wird es ähnlich sein. Rentner müssen Kaufkraftverluste hinnehmen, während Unternehmergewinne über fünf Prozent stiegen. Bis 2013 wurden die Renten automatisch an die Inflation angepasst. Seit einer Reform durch die Regierung des konservativen Mariano Rajoy ist dies nicht mehr so.

Wer künftig in Rente geht, bekommt seine Bezüge anders berechnet. Die steigende Lebenserwartung und die Einnahmen des Rentensystems werden einberechnet. Seit Beginn der Wirtschaftskrise in Spanien 2008 sind die Löhne für jüngere Arbeitnehmer um bis zu 20 Prozent gesunken. Befristete Teilzeitverträge sind an der Tagesordnung. Die Rentenkasse spürt das. Dank Rajoys Reform dürften die Renten in den nächsten 20 Jahren um 25 Prozent Kaufkraft verlieren. Zur Zeit liegt die Durchschnittsrente für Männer bei 1.247 Euro und für Frauen bei 797 Euro pro Monat. Das Rentenalter wurde bereits 2011 unter Rajoys sozialistischem Vorgänger von 65 auf 67 Jahre angehoben.

„Diebe! Sie stehlen uns die Renten!“ – „Keine Stimme denen, die ihre Hände in unsere Rente gesteckt haben!“ war auf Spruchbändern zu lesen. Neben der ungenügenden Rentenanhebung beschweren sich die Protestierenden über die „systematische Plünderung der Rücklagen der Rentenkasse“. Als Rajoy 2011 an die Regierung kam, waren in dem, was die Spanier „Sparbüchse der Sozialversicherung“ nennen, über 60 Milliarden Euro. Spaniens Rentenversicherung galt als eine der gesündesten Europas.

Zu Weihnachten muss die Rentenversicherung Kredite aufnehmen

Ende 2017 waren 90 Prozent davon aufgebraucht. Die Beiträge reichen nur noch, um die laufenden Renten zu bezahlen. Rücklagen werden nicht mehr gebildet. Im Sommer und zu Weihnachten, wenn Sonderzahlungen anstehen, muss die Rentenversicherung Kredite aufnehmen.

In den Krisenjahren hat die Sozialversicherung spanische Staatsschulden gekauft. Jetzt muss die Staatskasse der Sozialversicherung mit Krediten helfen. Rajoy sagt, es sei einfach nicht mehr Geld da. Doch zugleich steigen bis 2020 die Bezüge der Beamten der Nationalpolizei um knapp 600 Euro und die der paramilitärischen Guardia Civil um über 700 Euro im Monat. Auch das empört die Rentner.

Comments

[76530 (Profil gelöscht)]

Irrtum. Die Katze beißt sich in den Schwanz!

 

Eine Zentraldemonstration wie die in Madrid ist eine Protestform, an der Armutsrentner nur schwerlich auf eigene Kosten teilnehmen KÖNNEN. Wer mit seinem Geld schon so nicht über die Runden kommt, wie soll der sich eine Fahrt nach Berlin leisten?

 

Mit hinnehmen hat das wenig zu tun.

[Hartz]

@76530 (Profil gelöscht):

Und wo sind die Demos vor Ort in Deutschland?

...

[82236 (Profil gelöscht)]

@76530 (Profil gelöscht):

Es gab und gibt in allen grösseren Städten Spaniens Montagsdemonstrationen mit vielen Teilnehmern.

[98589 (Profil gelöscht)]

@76530 (Profil gelöscht):

Das hat nur mit hinnehmen zu tun!

Es gab schon einige Protestaktionen bei denen Sonderzüge angemietet wurden zu einem sehr günstigen Preis. Es fuhren Busse, es gab Sozialtickets.

Alles ist möglich, man muss es nur wollen und anstoßen.

Wer das machen könnte, wären die Gewerkschaften. Kungeln aber lieber mit der Regierung, denn die Rentenkasse der Oberen ist gut gefüllt.

[76530 (Profil gelöscht)]

@98589 (Profil gelöscht):

Okay. Das letzte Argument stimmt sicherlich. Was ich sagen wollte und das sehe ich auch jetzt noch so: als Einzelner, der ausgegrenzt und isoliert auf dem flachen Land lebt, bekomme ich - trotz Kampfeslust - wenig davon mit, wenn größere Protestaktionen stattfinden, die meine Belange aufgreifen.

[Hartz]

Niemand

 

Und in Deutschland geht

niemand

gegen Altersarmut auf die Straße!

Man nimmt es einfach hin.

...

[98589 (Profil gelöscht)]

@Hartz:

Das habe ich auch gedacht! Wäre schön und interessant, wenn es etwas mehr von der spanischen Mentalität hier gäbe, auch von Seiten der Gewerkschaften.

[82236 (Profil gelöscht)]

@Hartz:

In Deutschland hat es die neoliberale Ideologie geschafft, den Menschen einzutrichtern, dass Armut eine Schande ist und damit Selbstverschulden.

Den Armen wurde die Selbstachtung genommen und dabei hat die SPD eine entscheidende Rolle gespielt.

Die Rentner in Spanien sind eine Stütze für die jungen Menschen, die wenn nicht arbeitslos in prekären Arbeitsverhältnissen sind. Da es kein ALG2 gibt in Spanien müssen die Rentner für den Staat einspringen, um eine Massenarmut und Obdachlosigkeit zu verhindern, aber dieses von Rajoy so gelobte Subsidariatsprinzip stösst an seine Grenzen. Es gibt kein System, dass so viel Geld unnötig verschwendet wie das liberale.