Demos gegen Rechtsextreme am Wochenende: 200.000 bundesweit auf der Straße
Seit Freitag demonstrierten Hunderttausende für Demokratie. Unsere Karte zeigt das aktuelle und vergangene Demogeschehen.
Am Wochenende (inklusive Freitag) demonstrierten mindestens 198.000 Menschen an 107 Orten für eine weltoffene und demokratische Gesellschaft. Das zeigt eine Auswertung der taz, die das Demogeschehen seit Wochen begleitet. In unserer Karte finden sich detaillierte Informationen zu bisherigen Versammlungen.
450 Kilometer östlich von Budenheim sprach der Neonazi Martin Sellner etwa zeitgleich auf einer Kundgebung der rechtsextremen Identitären Bewegung im Zentrum Chemnitz. Rund 260 Menschen demonstrierten gegen seinen Auftritt. Sie zogen durch Chemnitz-Schönau und „zeigten dem IB Grenzen auf“, wie auf einem Transparent zu lesen war.
Martin Sellner hatte bereits Ende November einen Vortrag in Potsdam gehalten, an dem einige Politiker der in Teilen rechtsextremen AfD sowie einzelne Mitglieder der CDU und der rechtsradikalen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Dabei ging es auch um Pläne, nichtweiße Menschen und Menschen mit ausländischen Wurzeln auszubürgern und zu vertreiben. Darüber berichtete das Recherchezentrum Correctiv und löste damit die bundesweite Protestwelle gegen Rechtsextremismus aus.
Empfohlener externer Inhalt
Die größten Demos in Hamburg und Dresden
Gegen den Landesparteitag der AfD in Marl waren am letzten Samstag gleich drei Versammlungen angemeldet. Laut Rheinischer Post demonstrierten bis zu 2000 Menschen vor der Eventhalle NRW. Die größte Demo gegen Rechtsextremismus am Samstag fand in Stuttgart statt. Dort versammelten sich zwischen 8000 und 9000 Menschen, wie die Polizei mitteilte. Auch für etwa 50 weitere Orte konnten wir am Samstag deutschlandweit Kundgebungen, Laufdemos, Lichtermeere und sogar ein Kulturfest erfassen, an denen sich 53.000 Menschen beteiligten.
Richtig voll wurde es am Sonntag in zwei Städten. In Hamburg trafen sich Schätzungen zufolge zwischen 50.000 und 60.000 Menschen am Bahnhof Dammtor, um zusammen mit der Band Deichkind gegen Rechtsextreme einzustehen.
In Dresden demonstrierten zwischen 15.000 und 20.000 Menschen unter dem Motto #WirSindDieBrandmauer. In ihrer Rede bei dem Protest sagte Klimaaktivistin Luisa Neubauer: „Unsere Gleichgültigkeit bekommen sie nicht. Stattdessen zeigen wir uns von der schönsten, solidarischsten Seite. Demokratie hat man nicht, Demokratie lebt man“. Insgesamt waren es am Sonntag 135.000 Demonstrant:innen bei 49 Veranstaltungen.
Anfeindungen und Störungen durch Rechtsextreme
Erneut kamen die meisten Demoaufrufe aus kleinen Dörfern und Städten, die sich überall in Deutschland gegen Rechtsextreme stark machen. Wir zählen 59 Demos mit dreistelliger Teilnehmerzahl, insgesamt 27.000 Menschen und 46 Demos mit vierstelliger Teilnehmerzahl, insgesamt 107.000 Menschen. Die kleinste uns bekannte Demo fand am Freitag in Bruckmühl mit 150 Teilnehmenden statt. Oft werden Menschen während der Proteste angefeindet, wie Lokalmedien verschiedentlich berichten.
Am Sonntag störten Rechtsextreme in Bautzen mehrfach eine Versammlung unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus! Gemeinsam für Menschlichkeit und Demokratie!“. Sie versuchten unter die Versammlungsteilnehmer zu gelangen, heißt es in einer Medieninformation der Polizei Sachsen. Die Polizei erstattete vier Strafanzeigen wegen des Anfangsverdachts des Verwendens verfassungsfeindlicher Zeichen gegen die Rechtsextremen und drei wegen Vermummung gegen die Demo-Teilnehmenden.
Fast 5 Millionen Menschen gegen Rechtsextremismus
Seit 12. Januar demonstrierten bundesweit zwischen 3,7 und 4,9 Millionen Menschen bei 1264 Versammlungen gegen die AfD und für die Demokratie, wie eine taz-Auswertung zeigt.
Nach vier Wochen beenden wir am heutigen 26.02. unsere Datensammlung zur aktuellen Protestbewegung gegen Rechtsextremismus. Vielen Dank an die zahlreichen Hinweisgebenden – in unserem Hinweis-Postfach erreichten uns fast 700 Zuschriften. Wir nehmen weiterhin Korrekturen und Hinweise zu Demos vor dem 26.02. an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich