Demos gegen AfD und Rechtsextremismus: Düsseldorf am Zug gegen Nazis
100.000 gingen in der NRW-Landeshauptstadt auf die Straße. Demos gab es auch in Kiel und Frankfurt (Oder). Der Fußball setzte ein Zeichen gegen Antisemitismus.
In dem Zug durch die Stadt seien in der Spitze bis zu 65.000 Menschen mitgelaufen, bei der Hauptkundgebung auf den Rheinwiesen seien es dann schließlich sogar bis zu 100.000 gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Aufgerufen hatten die Initiative „Düsseldorf stellt sich quer“, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Düsseldorfer Appell. Es war eine von 30 für Samstag geplanten Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel sagte in Düsseldorf laut einem vorab veröffentlichten Redemanuskript: „Wir lassen uns als freiheitliche, offene Gesellschaft nicht unsere Werte rauben.“ Wenn Rechtsextreme herum fantasierten, sie könnten Menschen aus Deutschland ausweisen, dann irrten sie gewaltig. „Wer gegen Menschen mit Migrationshintergrund ist, ist gegen alle Menschen in Deutschland.“
Die Vize-NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) zeigte sich tief bewegt über die starke Beteiligung an der Düsseldorfer Demonstration gegen Rechtsextremismus geäußert. „Viel hab ich in dieser Stadt schon erlebt, aber das, was ihr heute als Zeichen setzt hier auf den Rheinwiesen, alle zusammen, die ganze Stadt, Jung und Alt, hier geboren, hier zugereist, Sport, Karneval, Gewerkschaften, staatstragende Parteien, Zivilgesellschaften, das macht mich nahezu sprachlos“, sagte Neubaur am Samstag bei der Hauptkundgebung. „Ich sag's mal, wie es ist als Düsseldorferin: Schönen Gruß nach Köln!“
Verteidigungsminister Pistorius spricht in Osnabrück
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In Osnabrück rief Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dazu auf, sich entschlossen für die Demokratie einzusetzen. „Wir stehen zusammen gegen den Hass der Faschisten und der AfD. Wir stehen für die Freiheit und die Menschenwürde jedes Einzelnen, denn die Würde des Menschen ist unantastbar“, sagte er. Auch in Kiel, Frankfurt an der Oder, Lübeck und Düsseldorf gingen jeweils Tausende Menschen auf die Straße.
An der von der SPD initiierten Demonstration in Osnabrück beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 25.000 Bürgerinnen und Bürger. Vor ihnen kritisierte Verteidigungsminister Pistorius die AfD mit scharfen Worten. Wer die AfD aus Protest wähle, „denen muss klar sein, dass sie Faschisten wählen“, sagte der gebürtige Osnabrücker und ehemalige Oberbürgermeister der Friedensstadt.
Die Demokratie der Weimarer Republik sei nicht zugrunde gegangen an der Stärke ihrer Feinde, sondern an der Schwäche ihrer Anhänger, warnte Pistorius. „Gleichgültigkeit gegenüber der Demokratie liefert sie den Faschisten aus.“
Seit einem Bericht des Recherchenetzwerks „Correctiv“ über ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November gibt es bundesweit große Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Laut der Recherche wurde bei dem Treffen über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen.
In Kiel beteiligten sich am Samstag laut Polizei etwa 11.500 Menschen an einer Kundgebung für Demokratie und Toleranz auf dem Rathausplatz. Zu einer Demonstration gegen rechts in Lübeck kamen nach Angaben der Polizei 8.000 Menschen, in Wismar etwa 1.500.
Auch in Frankfurt (Oder) demonstrierten Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus. Unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt!“ führte der Demonstrationszug unterbrochen von Zwischenkundgebungen vom Bahnhof durch die Frankfurter Innenstadt. Die Polizei sprach von 4.000 Teilnehmenden, die Veranstalter von etwa 5.000. Es sei die größte Demonstration in der Stadt seit vielen Jahren, hieß es.
Der Staatsrechtler Christoph Möllers bezeichnete die Proteste als „beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik“. Es passiere „in gewisser Weise was sehr Ungewöhnliches, nämlich dass Leute für die Ordnung selbst auf die Straße gehen“, sagte der Professor an der Berliner Humboldt-Universität im „Interview der Woche“ im Deutschlandfunk.
Vergangenes Wochenende gingen bundesweit nach Schätzungen der Polizei 900.000 Menschen auf die Straße.
„Nie wieder ist jetzt“ in den Fußballstadien
Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus hat der deutsche Profifußball Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt. Bei den Spielen in den Stadien, auf dem Trainingsplatz und bei anderen Veranstaltungen gedachten die Clubs und Fans am Jahrestag der Befreiung des früheren deutschen Konzentrationslagers Auschwitz an die Verbrechen der NS-Zeit. Angesichts des Terrorangriffs der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober und den zunehmenden Protesten gegen rechts in Deutschland finden die Aktionen diesmal unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt!“ statt.
„Der Erinnerungstag im deutschen Fußball ist inzwischen ein fester Bestandteil unseres Spielkalenders und setzt jedes Jahr ein klares, starkes Zeichen“, sagte Geschäftsführer Steffen Merkel von der Deutschen Fußball Liga. Am 27. Januar 1945 hatten sowjetische Truppen die Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz befreit. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet, überwiegend Juden. Seit 1996 wird das Datum in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen, die Vereinten Nationen haben das Datum 2005 zum Gedenktag ausgerufen.
Unter anderem in den Bundesligastadien in Stuttgart, Augsburg und Sinsheim gab es am Samstagnachmittag vor dem Anpfiff Lautsprecherdurchsagen. „Gebt dem Antisemitismus keine Chance. Nie wieder ist jetzt“, hieß es beim Spiel des VfB Stuttgart gegen RB Leipzig. FC Bayern München beim FC Augsburg sagte der Stadionsprecher: „Antisemitismus hat beim FC Augsburg und in seinem Stadion keinen Platz.“ Im Bremer Stadion riefen einige Fans „Nazis raus“, als sich die Mannschaften von Werder und dem SC Freiburg hinter einem Banner mit der Aufschrift „Nie wieder Krieg“ versammelten.
„In Gedenken an die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden“, schrieb Borussia Dortmund am Samstag in einem Post auf X (vormals Twitter) zu einem Bild, das die Mannschaft mit einem Banner mit der Aufschrift „#WeRemember“ zeigt.
„Die Notwendigkeit, jährlich mit dem Motto „Nie wieder“ am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz-Birkenau vor nunmehr 79 Jahren zu erinnern, zeigt sich derzeit deutlicher als in den Jahren zuvor“, schrieb Werder Bremen. „Die jüngsten Enthüllungen rund um die AfD führen uns vor Augen, dass in Deutschland wieder über Deportationen nachgedacht wird. Das ist schockierend.“
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