: Demonstrationsrecht für Rechte?
■ SPD und Grüne sind mehrheitlich für ein Verbot einer erneuten JN-Demonstration. Juristisch geringer Spielraum
Verbieten oder nicht verbieten? In der Frage, wie künftig mit Demonstrationen der Jungen Nationaldemokraten (JN) umgegangen werden soll, gibt es in den Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD keine einheitliche Linie. Die JN hat bereits angekündigt, für den 1. Mai „massiv zu mobilisieren“. Der Polizei liegt bislang aber noch keine Anmeldung vor.
Der bündnisgrüne Fraktionschef Wolfgang Wieland ist wegen der historischen Rolle Deutschlands für ein Verbot von Neonazi- Demonstrationen. Gerade in Berlin, der früheren Zentrale des Naziregimes, könne man Opfern des Dritten Reiches solche Aufmärsche nicht zumuten. Dagegen legt der innenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Norbert Schellberg, strenge rechtsstaatliche Maßstäbe an: Sofern es keine Handhabe gebe, eine rechtsradikale Demonstration zu verbieten, gelte auch für Neonazis die Versammlungsfreiheit.
Auch in der SPD-Fraktion gehen die Meinungen auseinander. „Ich bin kein Freund von Verboten“, erklärt der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz. Doch die Mehrheit der Fraktion ist nach den gewälttätigen Ausschreitungen zwischen Gegendemonstranten und Jungen Nationaldemokraten Mitte Februar in Hellersdorf dafür, eine erneute JN-Demonstration zu verbieten. „Schönbohm muß alle Register ziehen“, erklärt der Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Stadtmüller. Auch der innenpolitische Sprecher der CDU, Dieter Hapel, fordert ein Verbot, „wenn es die Rechtslage hergibt“.
Doch ganz einfach ist dies nicht. Die Versammlungsfreiheit kann nur eingeschränkt werden, wenn es sich beim Anmelder um eine verfassungswidrige Partei oder eine verbotene Vereinigung handelt. Beides trifft auf die JN nicht zu. Ein Verbot ist auch nur dann möglich, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ vorliegen, heißt es in Gesetzeskommentaren. Erst im vergangenen Mai hatte das Verwaltungsgericht das Verbot einer JN-Demo aufgehoben. Einen solchen Triumph will Schönbohm den Rechten nicht erneut verschaffen. Der bündnisgrüne Wolfgang Wieland sieht jedoch nach dem veröffentlichten Verfassungsschutzbericht Chancen, daß ein Verbot auch vor Gericht Bestand hat. Laut Verfassungschutz sei die JN zum Sammelbecken für Rechte geworden. Ein Versuch sei daher sinnvoll, so Wieland: „Es ist keine Schande für den Innensenator, mit einem Demonstrationsverbot vor dem Verwaltungsgericht zu scheitern.“
Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) warnte erneut davor, Rechte zu Märtyrern zu machen. Ohne Gegendemonstrationen liefen deren Aufmärsche „ins Leere“. Schönbohms Rezept gegen erneute Zusammenstöße zwischen Rechten und Linken: Wenn eine JN-Demo nicht verboten werden könne, dann solle die Gegendemonstration woanders stattfinden. Dorothee Winden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen