Demonstration nach Morden: Kurden demonstrieren in Paris
15.000 Menschen haben in Paris die Aufklärung der Morde an drei kurdischen Aktivisten gefordert. Der türkische Regierungschef kritisiert den französischen Präsidenten.
ISTANBUL taz | Der Mord an drei bekannten kurdischen Aktivistinnen in Paris wird wohl nicht zum Abbruch des erst vor wenigen Wochen begonnenen Dialogs zwischen der türkischen Regierung und der türkisch-kurdischen PKK führen. Am Rande einer prominent besetzten Konferenz der Plattform „Freiheit für Abdullah Öcalan“ in Istanbul am gestrigen Sonntag sagten Teilnehmer mehrfach, die Morde könnten den gerade begonnenen Verhandlungsprozess nicht stoppen. Öcalan ist der inhaftierte Chef der PKK.
Auch die gerade von einer Trauerdemonstration in Paris zurückgekehrte Co-Vorsitzende der kurdischen BDP, Gültan Kisanak, kündigte keinen Abbruch der Gespräche an. Sie hatte zuvor in Paris den Verdacht geäußert, dass die Mörder aus den Reihen des türkischen Staates kämen.
Dabei waren die letzten drei Tage durchaus dazu angetan, die zuvor auf breiter Front aufgekommenen Friedensstimmen wieder zum Verstummen zu bringen. Die „Hinrichtung“ der drei PKK-Funktionärinnen Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Söylemez in einem Informationsbüro ihrer Organisation in Paris verstörte die kurdische Seite zutiefst und löste auch in der türkischen Regierung schwere Irritationen aus.
Die Schuldfrage
Während viele Stimmen aus der PKK die türkische Regierung oder türkische Rechtsradikale der Tat bezichtigten, sprach Ministerpräsident Tayyip Erdogan davon, dass die getöteten Frauen offenbar Opfer einer Auseinandersetzung innerhalb der PKK geworden seien. Von der französischen Polizei, die seit Donnerstag früh fieberhaft nach Spuren sucht, gibt es noch keine Angaben über mögliche Täter.
Nach Angaben von Istanbuler Zeitungen wurde der türkische Geheimdienst MIT, dessen Chef Hakan Fidan die Verhandlungen mit Öcalan führt, zu den Ermittlungen hinzugezogen.
Von den drei ermordeten Frauen war Sakine Cansiz die bekannteste. Sie gehörte 1978 mit zu den GründerInnen der PKK, kannte Öcalan sehr gut und hat ihn wohl auch bei dem jetzigen Versuch, mit der türkischen Regierung zu einer Verständigung zu kommen, unterstützt. „Sie hat sich innerhalb der europäischen PKK sehr für die Verhandlungen eingesetzt“, hieß es auf der Kurdenkonferenz in Istanbul.
Teilnehmer bestätigten auch Meldungen, dass Sakine Cansiz bereits 2009 und 2010 bei Gesprächen zwischen dem türkischen Geheimdienst und hochrangigen PKK-Funktionären in Oslo dabei gewesen sei.
Weil der französische Staatspräsident Hollande nach den Morden erklärte, er habe eine der Frauen, Fidan Dogan, gekannt, die offenbar viele Kontakte zu französischen Politikern gehabt hatte, forderte Erdogan Hollande jetzt auf, er solle erklären, warum er sich mit PKK-Terroristen treffe, statt diese an die Türkei auszuliefern. Neben dieser Polemik gab Erdogan aber auch eine für den Dialog wichtige Erklärung ab. PKK-Guerillas, die sich unbewaffnet aus der Türkei in den Nordirak zurückziehen wollten, würde von der Armee nicht beschossen, kündigte er an.
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