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Demonstration in MoskauPolizei nimmt Oppositionelle fest

Die russische Polizei geht gewaltsam gegen "Marsch der Unzufriedenen" in Moskau vor. Auch in Petersburg werden Demonstranten in Gewahrsam genommen.

Sie durften demonstrieren: Pro-Kreml-Aktivisten. Bild: dpa

Dutzende von Oppositionellen sind am Sonntag in Moskau verhaftet worden, als sie sich zu einem "Marsch der Unzufriedenen" versammelten. Die Demonstranten wollten ihre Wut über die wirtschaftliche Situation und ihre Ablehnung der jüngsten Verfassungsänderung zum Ausdruck bringen. Kürzlich hatte Russlands Präsident Dmitri Medwedjew Verfassungsänderungen durchgesetzt, laut denen die Präsidentenamtszeit auf sechs und die Legislaturperiode des Parlaments auf fünf Jahre verlängert wird.

Bei den Verhaftungen sei die Miliz, so Radio Moskau, hart vorgegangen. So hätte man eine junge Frau an den Haaren über den Platz geschleift. Ebenfalls festgenommen wurde der Vorsitzende der verbotenen National-Bolschewistischen Partei, Eduard Limonow. Pensionierte russische Offiziere hatten sich ebenfalls an den Protesten beteiligt. Von ihnen wurden 50 in Gewahrsam genommen. Unter den Festgenommenen ist der Vorsitzende der Union sowjetischer Offiziere, Alexej Fomin.

Noch Stunden vor den Protesten hatte Fomin die Gewissheit geäußert, Miliz und Sondereinheiten würden es nicht wagen, gegen hochrangige Veteranen mit Gewalt vorzugehen. Man habe sich bewusst für den 14. Dezember als Protesttag entschieden, so Fomin laut Internet-Portal kasparov.ru, da dies der Jahrestag des Dekrabristenaufstandes sei. Am 14. Dezember 1825 hatten Offiziere den Eid auf Zar Nikolaus I. verweigert und damit gegen das autokratische Zarenregime demonstriert. Die Anführer der Offiziere waren gehängt worden. Für Fomin sind die herrschenden Machthaber "Piraten, die ein Schiff, unseren Staat, gekapert" hätten, so kasparov.ru.

Unterdessen wurde bekannt, dass in der Nacht zum Sonntag in St. Petersburg das Haus von Olga Kurnosova, der Leiterin der Bürgerunion in St. Petersburg, von Milizionären umstellt worden war. Als sie wegen gesundheitlicher Probleme einen Krankenwagen rufen musste, drangen die Milizionäre in das Fahrzeug ein und wollten sie aus diesem herauszerren. Doch in der folgenden Auseinandersetzung konnten die Ärzte die Milizionäre davon überzeugen, von Kurnosova abzulassen. In St. Petersburg, wo der "Marsch der Unzufriedenen" stattfinden konnte, beteiligten sich laut Interfax 200 Personen an der Demonstration. Hier wurden zehn Personen vorübergehend festgenommen.

Am Samstag endete in Chimki, einem Vorort von Moskau, der Gründungskongress der neuen russischen Oppositionsbewegung "Solidarnost". Die Bewegung, zu deren Initiatoren der Exschachweltmeister Garri Kasparow sowie der frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow gehören, will sich für soziale Gerechtigkeit und Demokratisierung einsetzen sowie den von der sozialen Misere und Finanzkrise Betroffenen Hilfe anbieten. Zudem fordert Solidarnost Steuersenkungen für kleine und mittlere Unternehmen, will Monopolfirmen die Finanzierung betriebsfremder Bereiche verbieten, eine verschlüsselte Forderung, den Einfluss von Konzernen wie Gazprom auf die Medien zu beschränken.

In einem Gespräch mit dem Internet-Portal Svobodanews.ru betonte Viktor Scheinis, Vorstandsmitglied der Partei Jabloko, dass es Solidarnost gelungen sei, immer mehr unabhängige Gewerkschaften ins Boot zu holen. Solidarnost sei es wichtig, gerade für die Menschen ein Sprachrohr zu sein, die Arbeit und Einkommen verloren haben und zu den offiziellen Gewerkschaften kein Vertrauen hätten, so Scheinis.

Zuvor war es auf der Konferenz wegen einer Aktion von Putin-Befürwortern zum Eklat gekommen. Diese hatten einen Bus mit verletzten Schafen vor dem Konferenzgebäude stoppen und die Tiere vor dem Eingang auf die Straße kippen lassen.

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7 Kommentare

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  • W
    Walter

    Ich kenne Russland ganz gut und kann nur sagen, dass die westlichen Medien sehr vieles vollig falsch berichten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Bericht schon von den USA gelenkt sind, die ja Russland unbedingt zum "Reich des Bösen" aufbauen möchten. Das wirklich böse Reich ist jedoch die USA selbst! Wer führt denn ununterbrochen Kriege in aller Welt? Und wer hat den Kaukasuskonflikt zusammen mit Georgien inszeniert? Nur die USA stecken hinter all diesen Dingen und haben Kasparov natürlich bezahlt!

  • AG
    Andre Gebler

    Der "lupenreine Demokrat" erweist sich als das Gegenteil, als ein postkommunistischer Rot-Faschist. Schließlich lässt sich nicht verleugnen, dass er in Dresden beim KGB war, und es ist kaum anzunehmen, dass er in seinen Einstellungen eine ehrliche 180-Grad-Wendung vollzogen hat. Schon die Vorgänge um Süsossetien ím letzten Sommer hatten den Anschein, als ob sich Geschichte wiederholt, ich meine damit die Einverleibung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich. Auch die putinsche Terminologie zur Wirtschaftskrise in der letzten Zeit erinnert in peinlicher Weise an vergangene Zeiten. Was mutet Putin den Menschen noch zu?

  • F
    FMH

    @alle

    Weder ist Kasparov ein "Heilsbringer" noch versucht Putin einen "Polizeistaat, der dem Deutschland von 1933 gleicht" zu errichten. Ich weiß nicht wieso man diese Sache nicht etwas differenzierter betrachten kann.

    Putin hat Russland große Dienste erwiesen und eine gewisse Stabilität für den Staat gebracht. Er hat sich allerdings nicht darum gekümmert Russland zu einer mustergültigen Demokratie zu machen. Warum auch? Er will ja schließlich an der Macht bleiben, weil er schon bewiesen hat, dass er ein fähiger Staatschef ist.

    Das Problem ist, dass er, um Russland zu stabilisieren eine Unzahl von halb- bis illegalen Geschäften und Beziehungen mit diversen Oligarchen, alten Generälen und Gott-weiß-wem einfädeln musste, die in einem demokratischen Staat vollkommen undenkbar sind und über deren Ausmaße wohl niemand bescheid weiß. Dies führt natürlich zu Vetternwirtschaft, Willkür und Rechtsunsicherheit für die einfachen Leute. Die meisten schlucken das, die meisten Staaten haben so über Jahrhunderte funktioniert und tun es immernoch in gewissen Abstufungen. Einige tun dies nicht und bilden eben nun eine Opposition, die Russland sicher gut täte, aber noch ist der Staat nicht flexibel genug dafür und reagirt übertrieben bis paranoid, auf alles was sich im Widersetzt, sei es Terrorist oder Journalist.

    Die Hintergedanken von Kasparov können die reine Demokratisierung Russlands, aber eben auch der eigene Machtwillen sein. Wer kann das sagen? Er scheint mit seinen Bündnissen ebensowenig wählerisch zu sein wie Putin (Stichwort Stalinisten und Neonazis), also tippe ich meiner Persönlichen Meinung Nach auf letzteres.

    Die westlichen Medien stellen sich auf seine Seite, weil er nach Demokratie klingt, die meisten europäischen Politiker fahren die China-Schiene (ab und zu mal Mahnen aber nur nicht zu viel wegen der Wirtschaft) und die USA haben sich mit ihrem Raketenschild wieder irgendetwas in den Kopf gesetzt, was ich momentan nicht versuche zu verstehen.

    Es ist wahr, die NATO als "Verteidigungsbündnis" muss sich gegen irgendetwas richten, doch ihr fehlt das Feindbild. Russland taugt da aber genausowenig wie China, da man die wirtschaftlichen Verflechtungen nicht aufgeben kann. Also bleiben die Ziele schwammig und unfixiert wodurch man riskiert allen auf die Füße zu treten.

    Wie immer in der Politik, wird man die Wahrheit nie erfahren und es ist Müßig irgendjemanden als Messiass oder Nachfolgehitler zu betiteln.

  • T
    torsten

    Philipp hat Recht. Irgendwie müssen wir ja die gegen Russland gerichteten Raketen rechtfertigen. Wenn alle außer Russland in der NATO sind, gegen wen soll sich das Verteidigungsbündnis wohl richten? TAZ ist leider fast nur noch im Bezug auf Öko-Themen lesenswert. Der Westen hat eine tiefsitzende, gefühlte Angst gegen den Iwan.

  • P
    Philipp

    @Markus

    "Kasparow hat mit allem, was er sagt, recht. Das heutige Rußland ist ein Polizeistaat, der dem Deutschland von 1933 gleicht. Der Westen darf diese Gefahr nicht länger ignorieren. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen."

     

    Kasparov, der mit der Stalinisten und auch Neo-Nazis wie Limonow gemeinsame Sache macht, ist keinHeilsbringer. Kein Mensch -ausser im Westen- nimmt ihn ernst.

    Putin hat seinem Volk Stabilität und Stolz gebracht. Und das ist auch der Grund warum der Westen so heftig gegen alles russische zu Felde zieht.

     

    Übrigends: Unser Land hat vor nicht einmal einem Menschenleben einen beispiellosen Vernichtungskrieg gegen Russland geführt. Deshalb sollten Sie mit Ihren Vergleichen -gerade als Deutscher- besser gaaanz vorsichtig sein.

     

    Mein Tip an Sie: gehen Sie mal nach Russland und Sie werden staunen (im positiven Sinne). Sie können der NATO-Propaganda aber auch weiterhin glauben schenken. Ist sicherlich einfacher!

  • M
    Markus

    @philipp

     

    Kasparow hat mit allem, was er sagt, recht. Das heutige Rußland ist ein Polizeistaat, der dem Deutschland von 1933 gleicht. Der Westen darf diese Gefahr nicht länger ignorieren. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen.

  • P
    Philpp

    Kasparow wird direkt aus den USA bezahlt. Er ist für die NATO-Osterweiterung, für Sanktionen gegen seine Heimat, unterstützt den Wahnsinnigen aus Tiflis und jetzt liefert er mal wieder Bilder, an denen sich die Westpresse aufgeilen kann. Schäbiger Typ!

     

    @TAZ

    Bin schon auf den nächsten Hetzartikel von Donut gespannt!