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Demonstration gegen Erdoğan in Berlin„In unserer Stadt nicht willkommen“

5.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen den Staatsbesuch. Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und in Syrien werden kritisiert.

„Weitestgehend störungsfrei und friedlich“ – meint selbst die Polizei Foto: Reuters

Berlin taz | Nujiyan Günay steht vor einem Lautsprecherwagen am Potsdamer Platz. Gleich wird sie eine Rede halten, um ihre Kritik am Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan deutlich zu machen. „Mit dem Empfang und den militärischen Ehren legitimiert die Bundesregierung Gräueltaten des AKP-Regimes“, sagt sie.

Günay hat Anfang 2016 den jesidischen Frauenrat Berlin mitgegründet, um auf das Schicksal jesidischer Frauen im Nordirak aufmerksam zu machen. Sie behauptet: Die Massaker im Sommer 2014 wurden zwar vom sogenannten Islamischen Staat durchgeführt, aber von Erdoğan unterstützt.

Dann geht sie auf die Bühne und wiederholt ihre Aussagen. „Die islamistischen Mörderbanden werden militärisch, wirtschaftlich und logistisch von der AKP-Regierung unterstützt“, ruft sie. Vor ihr stehen über 1.000 Menschen, um unter dem Motto „Erdogan not welcome“ gegen den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten zu protestieren. Als die Kundgebung sich in Bewegung setzt, werden es über 5.000 sein. Die Demonstranten sind hauptsächlich kurdische, türkische und deutsche Linke, vor allem aus dem antiimperialistischen, antinationalen und friedensbewegten Spektrum.

Ein riesiges Bündnis hatte sich zusammengeschlossen, unmittelbar als der Erdoğan-Besuch in Berlin verkündet wurde. Die Veranstalter gingen deshalb im Vorfeld sogar von über 10.000 Menschen aus, die Teilnehmerzahl blieb demnach hinter den Erwartungen zurück. Doch die, die da sind, sind laut. „Erdoğan, Terrorist!“, schallt es immer wieder durch die Reihen. Dann kommt Hakan Taş auf die Bühne, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. „Wir werden nicht akzeptieren, dass dem Faschist der rote Teppich ausgerollt wird“, ruft er und erhält viel Beifall aus der Kundgebung.

„Made in Germany“

Auch Taş richtet sich direkt an die deutsche Bundesregierung. „Rüstungsexporte sind nicht wichtiger als Menschenrechte. Hören Sie endlich auf, die demokratischen Werte zu verkaufen!“, fordert er. Erdoğan sei „in unserer Stadt nicht willkommen“, so Taş weiter.

Die Reaktion: „Hau ab, hau ab“-Rufe auf dem Platz. Ein wichtiges Thema unter dem Demonstranten: Die türkische Militäroffensive auf Afrin ab Januar 2018. Auf vielen Plakaten und Transparenten wird sie kritisiert und eine Gruppe hat einen riesigen Modellpanzer nachgebaut, an dem blutverschmierte Puppen hängen. Beschriftet ist das Modell mit „Made in Germany“.

Dann setzt sich die Demonstration in Bewegung, angeführt von einem Block kurdischer Frauen und einem feministischen Block. Auch Semra Altıntop läuft mit, eine 23-jährige Studentin. „Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei Alltag und Erdoğan macht nichts dagegen“, sagt sie. „Wir müssen die Frauenbewegung in der Türkei unterstützen, sie braucht unsere Solidarität.“ Dahinter folgen kleinere Gruppen von Autonomen und größere Blöcke von kurdischsprachigen Jugendlichen.

Die Polizei spricht während der Veranstaltung gegenüber der taz von einem „weitestgehend störungsfreien und friedlichen Verlauf“. Lediglich einige Vermummungen und PKK-Symbole habe man unterbinden müssen. Später wird Pyrotechnik gezündet, die Demonstration wird daraufhin kurzzeitig angehalten, einige Personen werden vorläufig festgesetzt.

Direkt zum Schloss Bellevue dürfen die Demonstranten nicht. Dort findet am Abend auf Einladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier das Staatsbankett zu Ehren des türkischen Präsidenten statt. „Im Gespräch mit den Veranstaltern haben wir vereinbart, dass dies nicht möglich ist“, sagte der Polizeisprecher. Die Demonstration endet deshalb am Großen Stern.

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