Demonstration für eine Berliner Kino: Das Schweigen der Erb*innen
Erneut fordern hunderte Menschen den Erhalt des Colosseum. Auch die Politik ist vor Ort und verspricht: Das Kino bleibt!
Seit Corona ist das Kino an der Schönhauser Allee geschlossen – und es soll nicht wieder aufmachen. Allerdings nicht wegen der Pandemie, sondern weil die Erb*innen des früheren Betreibers – der Kinolegende Atze Brauner – daraus Büros machen wollen. Die Belegschaft will das nicht hinnehmen: Sie fordert einen runden Tisch mit der Geschäftsführung und hofft so, Wege zum Erhalt des 96 Jahre alten Kinos zu finden.
Die Unterstützung für sie ist groß: Seit Ende Mai unterschrieben knapp 10.000 Menschen eine Onlinepetition zur Rettung. Und schon Anfang Juli kamen Hunderte vor dem Kino zusammen zu einer ersten Demo. Zur Fortsetzung am Donnerstagabend sind nicht nur Cineast*innen erschienen: Kinder, Eltern und Senioren tummeln sich vor dem Kino. Auch der Späti gegenüber zeigt auf einer digitalen Anzeige den Schriftzug „#Rettet das Colosseum“.
Seit dem 31. Juli läuft das von der Geschäftsführung eingeleitete Insolvenzverfahren, als Begründung nennen sie die Einbußen durch die Pandemie. Doch schon im September 2019, kurz nach dem Tod Brauners, beantragten seine Erb*innen einen Bauvorbescheid, der eine mögliche Büronutzung im Kinogebäude vorsieht. Der Bezirk entschied den Antrag positiv.
Colosseum soll Ort für Kultur bleiben
Auch Politiker*innen beteiligen sich am Protest. „Wir müssen schauen, was in der Bezirkspolitik schiefgelaufen ist“, sagt der Pankower Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup (SPD). Stefan Liebich, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, verspricht: „Wir haben das Colosseum nicht aufgegeben. Das wird hier ein Kinostandort bleiben.“
Die Bezirksverordnete Annette Unger (SPD) wiederum richtet ihre Worte direkt an die Erb*innengemeinschaft Brauner: „Es geht nicht darum, irgendwelche Vorwürfe zu machen, wir möchten mit euch an den Tisch. Wir wollen ein Stück Kultur mit dem Colosseum, bitte, bitte, behalten.“
Unter den Demonstrant*innen ist eine 16-jährige Schülerin mit vier Freundinnen, sie wohnen im Kiez, ihren Namen möchten sie lieber nicht verraten. „Ich wurde im Colosseum eingeschult und habe Kindergeburtstage im Kino gefeiert“, sagt sie. Ihr Viertel ohne das Colosseum könne sie sich nicht vorstellen. Dass die Nachbarschaft nun zusammenkommt, stimme sie positiv: „Durch die Demo kann man was bewegen, vor allem weil sich Schauspieler engagieren. Ich hoffe, dass das Kino zumindest vorerst wieder öffnen kann.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!