Demonstration für Bleiberecht: Tausende gegen Abschiebungen
Rund 4.000 Menschen gehen für ein Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge auf die Straße. Ein Sprecher der Gruppe dementiert den Streit mit der Kirche.
![](https://taz.de/picture/120580/14/C_Demo_Hamburg_Solidaritaet_Lampedusa_Fluechtlinge_Klobuerste_dpa.jpg)
Die Politik des Hamburger SPD-Senats gegenüber den Lampedusa-Flüchtlingen bringt auch nach fast einem Jahr noch Tausende auf die Straße. Rund 4.000 Menschen haben am Samstagnachmittag dafür demonstriert, dass die etwa 300 über Libyen und Italien nach Deutschland geflohenen Afrikaner als Gruppe ein Bleiberecht in der Hansestadt bekommen.
Der Senat verlangt nach wie vor, dass die Flüchtlinge sich einer Einzelfallprüfung unterziehen, die eine Abschiebung zur Folge haben könnte. Die Innenbehörde hatte zudem im Januar behauptet, die Flüchtlinge hätten die Stadt entweder verlassen oder seien versorgt.
Dem widersprachen die Demonstranten vehement: „Ihr seht, das Problem ist noch nicht gelöst“, sagte einer der Sprecher der Lampedusa-Gruppe in Richtung des Senats bei der Auftaktkundgebung am Hachmannplatz: „Wir sind noch da!“ Die Gruppe hatte zu einer „politisch-kulturellen Parade“ aufgerufen.
Entsprechend bunt war die Demonstration: Viele trugen Masken oder Perücken, hatten Luftballons, Fahnen oder Klobürsten in der Hand. Friedlich zogen die Demonstranten über Ballindamm, Mönckebergstraße und Adenauerallee zum Hansaplatz nach St. Georg. Mehrere Hip-Hop-Künstler sorgten dort für den kulturellen Abschluss
Im Clinch mit der Kirche
Auf der Demonstration war auch der Konflikt zwischen Teilen der Flüchtlinge und der Kirche Thema, den das Hamburger Abendblatt am Freitag öffentlich gemacht hatte. „Ich möchte mich bei der St.-Pauli-Kirche für die humanitäre Hilfe bedanken“, sagte ein Redner, „aber niemand hat das Recht, für uns zu sprechen!“ Im Abendblatt hatte Sprecher Asuquo Udo kritisiert, dass die Kirche zu sehr im Mittelpunkt stehe und eingesammelte Spendengelder nicht an die Gruppe weitergebe.
Pastor Sieghard Wilm wies die Vorwürfe gegenüber der taz zurück. Er habe nie behauptet, für die Flüchtlinge zu sprechen. Die zentrale Rolle seiner Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung sei „auch eine Entscheidung der Medien“. Da die Kirche rechenschaftspflichtig sei, könne er Spenden nicht in bar an die Flüchtlinge aushändigen, ohne sich strafbar zu machen. Von den rund 150.000 Euro, die 2013 zusammengekommen wären, finanziere die Kirche ihre humanitäre Hilfe. Das Geld werde unter anderem für Nahrungsmittel, Behandlungskosten, Rechtsanwälte und Sprachkurse ausgegeben.
Die Gemeinsamkeiten betonen
Wilm versucht, die Wogen zu glätten: „Mein Mitgefühl gilt allen Flüchtlingen und ich nehme die Vorwürfe nicht persönlich, weil sie sehr verzweifelt sind.“ Auch auf der Demonstration betonten die Beteiligten die Gemeinsamkeiten. „Es gibt keinen Konflikt mit der Kirche, uns geht es nur um unser Bleiberecht“, ruderte Asuquo Udo gegenüber der taz zurück. Mit der Beteiligung an der Parade war der Gründer der Lampedusa-Gruppe sichtlich zufrieden. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Senat sich von Demonstrationen beeindrucken lässt“, sagte er. „Aber wir müssen tun, was wir tun müssen.“
Am Samstagabend demonstrierten in der Schanze erneut etwa 100 Linksradikale unangemeldet für ein Bleiberecht der Flüchtlinge. Dabei warfen sie diverse Gegenstände auf die Straßen, bevor die Polizei die Demonstration zerstreute. Später demonstrierten die Aktivisten erneut auf der Reeperbahn. Die Polizei beendete auch diese Demonstration und leitete zwei Strafverfahren wegen der Teilnahme an unangemeldeten Versammlungen ein.
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