Demokratie-Abbau in Schleswig-Holstein: Bürgerbegehren weiter ohne Biss
CDU und Grüne schränkten per Gesetz Bürgerentscheide und Rechte kleinerer Parteien ein. Die Klage dagegen weist das Landesverfassungsgericht zurück.
Damit ist der Versuch gescheitert, auf gerichtlichem Weg einige Punkte zu streichen, die Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene erschweren. Noch offen ist allerdings die politische Auseinandersetzung: Die Volksinitiative „Rettet den Bürgerentscheid!“ hat über 27.000 Unterschriften gesammelt, der Landtag berät nun darüber.
„Es gibt keinen Anspruch auf solche Elemente der direkten Demokratie“, machte der Vorsitzende Richter Christoph Brüning in seiner Urteilsbegründung klar, der die Fraktionsvertreter Bernd Buchholz (FDP) und Lars Harms (SSW) aufmerksam lauschten. Es liege in der Hand des Gesetzgebers, die Regeln festzulegen.
In Schleswig-Holstein galten bis zu der Neuregelung, die im März 2023 beschlossen wurde, im Bundesvergleich großzügige Regeln für Bürgerbegehren. Nun gibt es einige Einschränkungen – bloße „Stellschrauben“, hatte der Richter bei der Verhandlung im November gesagt, aus Sicht der Kritiker:innen allerdings wichtig.
Landtag bekommt Recht
Unter anderem kann eine Gemeindevertretung mit einer Zweidrittelmehrheit ein Begehren gegen Bauleitpläne verhindern. Zudem haben sich die Quoren geändert, also wie viel Prozent der Bevölkerung ein Begehren unterstützen müssen, damit es durchkommt. Weiterhin gilt eine Sperre, wenn Begehren „offensichtlich unzulässig“ oder rechtsmissbräuchlich seien. So sollen jahrelange Proteste gegen Infrastrukturprojekte – Windparks oder Autobahnen – verhindert werden.
Das Verfassungsgericht stellte nun fest, dass die Regelungen gültig sind: „Wir haben nicht zu prüfen, ob es die bestmögliche Form ist“, sagte Büning. „Wir prüfen nur die Grenzen der Verfassung.“
Auch in der zweiten Frage erhielt der Landtag, der mit Mehrheit für die neue Kommunalordnung gestimmt hatte, Recht. FDP und SSW sehen kleine Parteien in den Kommunalparlamenten benachteiligt, weil nun mindestens drei Personen nötig sind, um eine Fraktion zu bilden, bisher reichten zwei. Fraktionslose haben weniger Rechte, dürfen beispielsweise keine bürgerlichen Mitglieder in Ausschüsse entsenden.
Das Gericht sah keinen Nachteil: „Auf kommunaler Ebene repräsentieren alle Gewählten das Volk, und zwar als Gesamtheit, nicht als Einzelne oder als Gruppe“, führte Brüning aus. Der Sinn des Gesetzes sei, die Arbeit auf Gemeinde- und Kreistagsebene zu erleichtern, wenn immer mehr kleine Parteien und Gruppen in die Lokalparlamente einziehen.
Christoph Brüning, Vorsitzender Richter
„Politisch halten wir das neue Kommunalrecht weiterhin für schwierig“, sagte Bernd Buchholz nach der Urteilsverkündung. Juristisch herrsche nun aber Klarheit, „und das respektieren wir selbstverständlich“.
Lars Harms freute immerhin, dass das Gericht generell die Rechte von Minderheiten bestätigt habe, auch wenn sich das nicht auf das Urteil ausgewirkt hatte. In den Gemeinderäten und Kreistagen würden fraktionslose Abgeordnete der kleinen Parteien teils allein weitermachen, sich teils mit anderen zu Fraktionen zusammenschließen, vermutete Harms. Ob das die Arbeit in den Parlamenten erleichtere, „muss man sehen“.
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