piwik no script img

Demografisches BewusstseinSchwarz-Gelb will nicht alt aussehen

Niedersachsens Landesregierung will den demografischen Wandel mit Kinderbetreuung und ein bisschen Integration zu kontern.

Mehr Betreuung, mehr Kinder: Niedersachsen begegnet dem demografischen Wandel. Bild: dpa

Niedersachsens Landesregierung hat den demografischen Wandel als Wahlkampfthema entdeckt: Mehr Angebote für Kinderbetreuung und eine bessere Integration von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt verspricht sie in einem Handlungskonzept, das das schwarz-gelbe Landeskabinett um Ministerpräsident David McAllister (CDU) beschlossen hat.

Der demografische Wandel, so die Prognosen, wird Niedersachsen als Flächenland hart treffen: Die Einwohnerzahl schrumpft, zugleich steigt die Zahl der Alten. Und vor der Landtagswahl im Januar rücken Bevölkerungsrückgang und -überalterung verstärkt in den Fokus der Wahlkämpfer: SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil hat bereits angekündigt, den demografischen Wandel zum Wahlkampfthema zu machen. Regierungschef McAllister erschien zur Vorstellung des schwarz-gelben Handlungskonzepts am Dienstag in Hannover gleich mit der fast kompletten Riege seiner CDU-MinisterInnen: Sozialministerin Aygül Özkan, Kultusminister Bernd Althusmann, Innenminister Uwe Schünemann und Agrarminister Gert Lindemann.

Die Bevölkerungsprognosen nannte McAllister „ungewöhnliche Herausforderungen, die ungewöhnliche Chancen bieten, wenn man die Weichen richtig stellt“. Schwarz-Gelb will dies vor allem durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreichen: Bis 2014 will die Landesregierung das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren auf 40 Prozent ausbauen. Auch Unternehmen sollen miteinbezogen werden: Auf landesweit 90 will die Landesregierung die Zahl der Betriebs-Kitas verdreifachen.

Dass Niedersachsen die bundesweit vereinbarte Betreuungsquote von 35 Prozent für unter Dreijährige zum Stichtag im August 2013 erreichen werde, gaben sich McAllister und sein zuständiger Kultusminister Althusmann zuversichtlich. Streng genommen sei die Quote bereits jetzt übererfüllt, erklärte Althusmann gar: 48.000 Betreuungsplätze gebe es derzeit für die gut 120.000 Kinder zwischen eins und drei Jahren, für die der Rechtsanspruch gelten wird, argumentierte der Kultusminister. Rechnet man allerdings auch die Kinder unter einem Jahr ein – für die die Landesregierung ebenfalls eine 35 Prozent-Quote versprochen hat – fehlen noch immer 15.000 Plätze.

Dem erwarteten Fachkräftemangel will Schwarz-Gelb durch eine leichtere Eingliederung von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt entgegenwirken: Noch vor der Wahl soll der Landtag ein Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse verabschieden. Ganz so wie es im Bund bereits seit April für einige Berufsgruppen geregelt ist, soll es auch in Niedersachsen für all jene Berufsgruppen, die in Zuständigkeit des Landes oder der Industrie- und Handelskammern fallen, ein verbindliches Verfahren geben: Binnen drei Monaten soll die Anerkennung von Abschlüssen etwa von ErzieherInnen, LehrerInnen oder InformatikerInnen nach eindeutigen Kriterien dauern. „Wir können es uns nicht erlauben, dass Akademiker aus anderen Staaten hier in fachfremden Berufen eingesetzt werden“, sagte McAllister.

Für die Opposition kommt all das „auf den letzten Drücker“, sagt der Grünen-Haushaltspolitiker Hans-Jürgen Klein. Bereits 2007 habe eine eigens eingesetzte Enquete-Kommission Empfehlungen zur Bewältigung des demografischen Wandels gegeben. Forderungen nach der Anerkennung ausländischer Abschlüsse etwa seien über Jahre „ignoriert“ worden.

SPD-Vizefraktionschef Olaf Lies, zugleich Schatten-Wirtschaftsminister von SPD-Spitzenkandidat Weil, nennt das 80-Seiten-Papier ein „Eingeständnis des Scheiterns“: Regionale Ansätze zum Fachkräftemangel fehlten. Dass die Landesregierung bei der Kinderbetreuung jetzt gar eine 40-Prozent-Quote ankündigt, ist für ihn schlicht ein Beleg, „wie sehr CDU und FDP ihre Fähigkeiten überschätzen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • H
    huhi

    wenigstens die überschriften der taz-online sollten sprachlich stimmig sein...