Demografie in Ostdeutschland: Der Exodus ist vorbei
Erstmals seit über 20 Jahren wächst die Bevölkerung in Ostdeutschland wieder, vor allem in den Städten. Auf dem Land schrumpfen die Gemeinden weiter.
Nach dem Fall der Mauer hatte der Osten einen Exodus erlebt. Die neuen Bundesländer verloren rund 1,8 Millionen Einwohner, vor allem junge, qualifizierte Menschen. Einzelne, strukturschwache Regionen büßten sogar bis zu 40 Prozent ihrer Einwohnerschaft ein, während die verbliebene Bevölkerung stark alterte.
Inzwischen ist der Osten wieder Zuwanderungsland, wobei die Trendwende nur wenige Gewinner hervorbrachte. Lediglich 15 Prozent der 2695 ostdeutschen Gemeinden (außer Berlin) verzeichneten zwischen 2008 und 2013 mehr Zuzüge als Fortzüge, wie die am Dienstag in Berlin vorgestellte Studie „Im Osten auf Wanderschaft“ zeigt. Vor allem Großstädte wie Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt, Rostock und Potsdam profitierten.
Leipzig zum Beispiel zog zwischen 2008 und 2013 rund 44.000 Menschen mehr an als die sächsische Metropole gleichzeitig verließen. Dies befeuerte das Bevölkerungswachstum der vormals schrumpfenden Stadt so sehr, dass sie im Jahr 2013 mit einer Wachstumsrate von zwei Prozent in die Spitzengruppe der deutschen Großstädte vorstieß. 2015 legte die Stadt erneut um rund 16.000 Einwohner zu.
Dynamische Zentren
Die Großstädte sind zu Magneten vor allem für junge Menschen geworden, die einen Ausbildungs- oder Studienplatz suchen. Aufgrund des verbesserten Arbeitsmarkts bleiben viele auch nach der Ausbildung dort. Selbst eine Familiengründung treibt junge Leute nicht mehr zwingend in die Randgebiete der Ballungsräume. Diese dynamischen Zentren könnten als „wichtige Wachstumsmotoren“ bei ansonsten rückläufigen Einwohnerzahlen wirken, erklärte Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts.
Verlierer sind die ländlichen Gemeinden, die vor allem junge Leute in die Großstädte ziehen lassen müssen. Das Gefälle zwischen schrumpfenden und wachsenden Regionen wird damit immer größer. So verzeichnen 85 Prozent der ostdeutschen Gemeinden laut Studie nach wie vor mehr Abwanderung als Zuzüge, sie verlieren also Einwohner.
Gleichwohl trotzen inzwischen einige mittelgroße Städte dem Schrumpfprozess. „Als lokale Versorgungszentren bieten sie kurze Wege zu Ärzten, Apotheken, Geschäften, Restaurants oder kulturellen Einrichtungen“, erklärte Manuel Slupina, Hauptautor der Studie. Das macht sie vor allem für die steigende Zahl der Ruheständler aus dem Umland interessant, denn in den Dörfern dünnt die Versorgung immer mehr aus.
Flüchtlinge als Chance
Mit den vielen Flüchtlingen eröffnet sich für die ländlichen Gemeinden zudem eine „Chance, neue Bewohner zu gewinnen“, sagte Klingholz. Wo sich Flüchtlinge dauerhaft niederließen, könnten Schulen vor der Schließung bewahrt werden, neue Geschäfte entstehen und Leerstand würde zu Wohnraum.
Zwar zieht es die meisten Neuankömmlinge in die Städte und gen Westen. Die ländlichen Gemeinden haben laut Klingholz aber andere Vorteile: Durch die enge Gemeinschaft sei eine Integration prinzipiell leichter möglich als in der anonymen Stadt.
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