Demo gegen die Besatzung in Syrien: Kaum Solidarität mit Rojava
Kurd*innen protestieren am Kreuzberger Oranienplatz gegen Angriffe auf die Selbstverwaltung in Nordsyrien. Die Beteiligung ist aber überschaubar.
„Wir sind hier auf der Straße, um für die Selbstverwaltung in Rojava, für die Freiheit in Syrien und für die Menschen in Nordostsyrien zu protestieren“, so Welat, einer der Veranstalter*innen, der aber seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Aufgerufen hat neben internationalistischen Initiativen wie RiseUp4Rojava und Defend Kurdistan auch die kurdische Jugendgruppe TCŞ.
Welat übt scharfe Kritik an den Angriffen auf Rojava seitens der türkischen Armee sowie der Milizen der SNA und der islamistischen HTS, die in Syrien die Macht übernommen hat. Unter beiden Gruppen befänden sich auch IS-Kämpfer, so Welat. Er fordert einen Stopp der Angriffe der Türkei auf Rojava, einen Friedensdialog und eine Anerkennung der autonomen Selbstverwaltung Nordostsyriens.
Klein, aber lautstark
Die Kundgebung war klein, aber lautstark, immer wieder waren die Parolen „Bijî Berxwedana Rojava“ („Es lebe der Widerstand von Rojava“) und „Jin, Jiyan, Azadî“ („Frau, Leben, Freiheit“) zu hören, teilweise übertönt von kurdischer Popmusik aus dem Lautsprecherwagen. Die Polizei achtete penibel darauf, dass keine Flaggen oder Parolen positiv Bezug auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK oder deren inhaftierten Anführer Abdullah Öcalan nahmen.
Im einzigen deutschen Redebeitrag pries eine Frau die „Grundwerte der Basisdemokratie, Ökologie und Frauenbefreiung“ in Rojava. „Frauenbefreiung nimmt hier eine zentrale Rolle ein, weil eine Gesellschaft erst frei sein kann, wenn die Frauen in ihr frei sind“, so die Rednerin. Es gab nur wenige Solidaritätsbekundungen aus Häusern oder vorbeifahrenden Autos, fast alle Passant*innen blieben teilnahmslos. Auch die türkischen Gewerbetreibenden betrachteten die Demo schweigend.
Die Teilnehmenden waren meist jung, in der Mehrzahl Frauen, auch ein paar Kinder liefen mit. Es war fast niemand aus dem Rest der Berliner linken Szene zu sehen, auch Parteifahnen oder kommunistische Symbole fehlten völlig. Die Menschen sprachen Kurdisch, Englisch und Deutsch, einige trugen Kufija, auch „Palituch“ genannt.
Demonstrantin
„Ich bin hier, weil ich an Befreiung für alle glaube“, sagte eine junge Frau auf Englisch. Rojava sei ein Symbol dafür, „dass autonomes Leben jenseits von staatlicher Unterdrückung möglich ist“, meinte eine Demonstrantin, die Freund*innen vor Ort hat. „Wenn die Revolution in Rojava angegriffen wird, dann verlieren nicht nur unzählige Menschen ihr Leben, sondern wir verlieren auch als demokratische Kräfte auf der ganzen Welt ein Stück weiter die Perspektive, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“
Zwei junge Kurdinnen forderten, Deutschland solle aufhören, Waffen an die Türkei zu liefern, und stattdessen Syrien, Rojava und Kurdistan unterstützen. Mit der Demo waren sie zufrieden, obwohl es „ein bisschen leer“ war. „Die Solidarität war mal größer“, räumte auch Welat ein. Aber man werde sich weiter für die Selbstverwaltung in Rojava einsetzen.
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