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Demo gegen WehrpflichtKeine Verfügungsmasse

Bevor im Bundestag die ersten Beratungen zum neuen Wehrdienstgesetz beginnen, formiert sich vor dem Reichtagsgebäude Protest.

Uneinigkeit in der Koalition, Unmut vor dem Gebäude Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

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Anselm Mathieu aus Berlin

Am Donnerstagmorgen finden sich verschiedene Bündnisse am Platz der Republik zusammen, um vor dem Bundestagsgebäude gegen die Einführung einer Wehrpflicht zu demonstrieren. Drinnen soll an diesem Tag zum ersten Mal über das neue Wehrdienstgesetz beraten werden.

Der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht Musterungen und Fragebögen vor, die zumindest für junge Männer verpflichtend sein sollen. Der CDU geht der Entwurf nicht weit genug, sie fordert, dass im Zweifel auch der tatsächliche Dienst für einige junge Menschen verpflichtend werden müsse, nicht nur die Musterung. Einig sind sich die Koalitionspartner zumindest darin: Es brauche dringend einen Aufwuchs der deutschen Streitkräfte.

Anders sieht das Michael Schulze von Glaßer von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK): „In letzter Zeit melden sich immer öfter Jugendliche und Eltern bei uns, die über die Einführung einer Wehrpflicht besorgt sind“, sagt er der taz. Die DFG-VK hat heute zu einer Protestaktion unter dem Namen „Wehrdienst schreddern!“ aufgerufen, bei der sich auch Red­ne­r*in­nen der Linksjugend, der Jusos und von Greenpeace beteiligen.

Anders als in der Regierungskoalition ist man sich hier einig: Aufrüstung werde nicht zu mehr Sicherheit führen, sondern zu Wettrüsten und Militarisierung der Gesellschaft. Sie fordern: Statt auf Rüstungsspiralen müsse man auf zivile Konfliktbearbeitung setzen, um internationale Auseinandersetzungen zu lösen. Um dieser Forderung Ausdruck zu verleihen, wird am Ende der Kungebung ein Ausdruck des Gesetzestextes in einem großen Häcksler geschreddert.

Jugend als Verfügungsmasse

Nur wenige hundert Meter weiter versammeln sich etwa ein Dutzend junge Menschen, um mit einer Performance unter dem Slogan „Generation Machtlos!“ auf die mangelnden politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten der Jugend aufmerksam zu machen.

Als Symbol dafür tragen die Demonstrierenden weiße Anzüge, ihre Münder sind mit schwarzem Klebeband abgeklebt. Sie stehen stramm in einer Reihe und lassen sich im Stil eines militärischen Drills mit Exerzierkommandos zubrüllen, bevor sie sich der Fremdbestimmung widersetzen und sich das Klebeband abreißen.

„Wenn verhandelt werden würde, dass ältere Menschen jetzt verpfllichtet werden sollen, wäre der Aufschrei riesig“, sagt Simon Marian Hoffmann zur taz. Er ist Initiator der Demonstration und setzt sich für die Einführung eines Deutschen Jugendrats ein, durch den Jugendliche sich an Entscheidungen im Bundestag beteiligen können sollen.

Es brauche unbedingt Strukturen, durch die sich junge Menschen an Fragen rund um Bildung, Klima, Rente und Militär beteiligen können, statt der Politik nur als Verfügungsmasse zur Verfügung zu stehen, so Hoffmann. Ansonsten werde die Demokratie ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.

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