Demo gegen Rassismus in Berlin: „Wir müssen voneinander lernen“
Am heutigen Internationalen Tag gegen Rassismus demonstrieren auch die Frauen von „International Women Space“ gegen die Asylpolitik in Deutschland und Europa.
taz: Jennifer, Ihre Gruppe „International Women Space“ gründete die Frauenetage in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule und machte dort Frauenarbeit. Vergangenen Juni mussten Sie, wie die meisten Flüchtlinge, die Schule verlassen. Wo sind Sie nun?
Jennifer: Wir treffen uns weiter regelmäßig in den Räumen von Tio e. V., einem Verein für die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Migrantinnen, in Neukölln.
Wie viele sind Sie?
Der harte Kern sind fast zehn Frauen, dazu kommen gelegentlich andere.
Wo leben die Frauen jetzt?
Viele kamen zunächst bei Unterstützern unter, etwa in Charlottenburg oder Spandau. Aber nach sechs Monaten wurden die meisten rausgeworfen. Das Wohnen ist bis heute ein harter Kampf.
Was genau machen Sie bei International Women Space?
Wir organisieren zum Beispiel Workshops und Seminare. Gerade arbeiten wir an einer Broschüre, in der Frauen von ihren Kämpfen erzählen, in ihren jeweiligen Ländern, aber auch hier, in den Lagern.
ist Mitglied von „International Women Space“. Ihr Nachname, Alter und Herkunft tun nichts zur
Was sind die besonderen Probleme von weiblichen Migranten?
Wie haben die üblichen Probleme mit dem Asylsystem und dazu noch die üblichen Herausforderungen als Frauen. Wir haben die Verantwortung für die Kinder, wir sind Opfer von männlicher Gewalt, von Zwangsverheiratungen und so weiter.
Für den heutigen Internationalen Tag gegen Rassismus (21. 3.) ruft die neue Kampagne "My right is your right" zu einer Großdemonstration auf. Ausgangspunkt ist um 13 Uhr der Spreewaldplatz, nahe der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Die Route führt über Oranienplatz und Oranienstraße zur Mohrenstraße, deren Umbenennung afrikanische und kolonialismuskritische Organisationen seit Langem fordern. Von dort geht es zur Abschlusskundgebung vor dem Humboldt-Forum, das mit seiner geplanten ethnologischen Ausstellung ebenfalls im Visier von "Berlin Postkolonial" und anderen steht.
Die Demo ist die erste Aktion der Kampagne "My right is your right", zu der sich Geflüchtete aus der Oranienplatz-Bewegung mit Theatermachern, Juristen, Aktivisten, Nachbarschaftsvereinen, Gewerkschaftern und Kirchenvertretern zusammengeschlossen haben.
"Seit mehr als zwei Jahren kämpfen Geflüchtete und UnterstützerInnen in Berlin sichtbar gegen institutionellen Rassismus in Deutschland und Europa. Wir solidarieren uns mit den selbstorganisierten Refugee Protesten", heißt es im Demoaufruf.
Die Mitglieder der Kampagne treffen sich jeden Montag zwischen 12 und 18 Uhr in den Räumen des Refugee-Büros in der Waldemarstraße 46. UnterstützerInnen sind willkommen. (sum)
Infos:
Was erwarten Sie von der neuen Kampagne „My right is your right“, zu der auch der „International Women Space“ gehört?
Die Kampagne ist die Fortführung unseres Kampfes, den wir seit Jahren führen, in der besetzten Schule und anderswo: Es geht darum, die gleichen Rechte wie alle zu haben. Das Wichtigste ist, eine Wahlfreiheit zu haben – etwa selbst entscheiden zu können, wo man leben möchte. Diese Freiheit wird uns Flüchtlingen verwehrt.
In dem Aufruf zur Demo am heutigen Tag gegen Rassismus betont die Kampagne den Zusammenhang zwischen der Asylpolitik in Europa und dem Kolonialismus. Wo sehen Sie den?
Die Verbindung ist, dass wir auch damals keine Wahlfreiheit hatten. Die Kolonisatoren ließen uns keine Wahl. Alle, die kamen, Missionare, Investoren, arbeiteten nur zu ihrem Vorteil. Wenn man heute in Deutschland einen wertvollen Bodenschatz entdecken würde: Glauben Sie, man würde die Afrikaner einladen, ihn auszubeuten? Glauben Sie, Deutschland würde sich mit fünf Prozent des Gewinns begnügen? So machen es die Europäer in unseren Ländern. Wir haben bis heute auch in unseren Ländern oft keine Wahl.
Wie meinen Sie das?
Viele Europäer mögen ja zum Beispiel Jeans aus Bio-Baumwolle und Bio-Nahrungsmittel. Aber kaum einer macht sich bewusst, dass für deren Anbau bei uns immer mehr Land geraubt wird. Die Menschen aus den Dörfern verlieren ihr Land an ausländische Großkonzerne und damit ihre Arbeit. Sie müssen in die übervölkerten Städte ziehen, werden Migranten, oder sie gehen weiter, bis nach Europa. Es gibt viele Beispiele für Europas Verantwortung an den Zuständen in Afrika. Dennoch weigert man sich, die Menschen, die hierher fliehen, menschenwürdig aufzunehmen, Europa schottet sich ab. Diese Zusammenhänge müssen die Leute hier begreifen: Dann werden sie vielleicht auch anfangen, Migranten und Flüchtlinge aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Wie kann die Kampagne diesen Perspektivenwechsel erreichen?
Indem wir in einen Dialog treten. Wir müssen reden und voneinander lernen. Nur so geht es.
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