Demo gegen Kürzungen im Sozialbereich: Der Schlafplatz, ein Sechser im Lotto
Das Geld reicht sowieso schon nicht, und doch will der Senat auch bei der Obdachlosenhilfe sparen. Betroffene und Beschäftigte sind wütend.
Die meisten, die hier ausharren, sind freiwillig draußen. Sie arbeiten bei der Bahnhofsmission und der Berliner Kältehilfe. Auch einige von Obdachlosigkeit Betroffene sind da. Gemeinsam protestieren sie am Mittwoch gegen die Kürzungen im Bereich der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe.
Zur Demo aufgerufen hatte die Landesarmutskonferenz (LAK) schon vor Bekanntwerden der Streichliste von CDU und SPD. Inzwischen ist die Drohkulisse Wirklichkeit: Rund 5,5 Millionen Euro und damit etwa 7 Prozent weniger an Zuschüssen erhalten soziale Einrichtungen kommendes Jahr aus dem Topf der Sozialverwaltung.
Welche Angebote konkret berührt sein werden, ist offen, weil die Einzeltitel nicht aufgeführt sind. Doch es zeichnet sich ab, dass die Kürzungen etwa „Housing first“-Projekte sowie die 24/7-Notunterkünfte treffen. „Viele Angebote sind schon jetzt an der Belastungsgrenze“, warnt Friederike Wagner von der LAK. Weitere Kürzungen führten dazu, dass mehr Menschen auf der Straße leben müssten.
Wut und Galgenhumor
Angesichts dessen mischt sich unter die Wut der Protestierenden auch Galgenhumor: An einem selbst gebastelten Glücksrad findet eine „Schlafplatzlotterie“ statt – Hauptgewinn ist ein Dach über dem Kopf. Aber die Chancen stehen schlecht. Als eine Rednerin daran erinnert, dass sich das Land Berlin das Ziel gesetzt hat, bis 2030 Obdachlosigkeit zu beenden, entlockt das der Menge nur ein freudloses Lachen.
Wenig Hoffnung machen auch weitere Punkte in der Liste: So werden dem Integrierten Sozialprogramm 2 Millionen Euro gestrichen, das niedrigschwellige Angebote wie Notübernachtungen fördert. Dazu zählt auch das Projekt Frostschutzengel mit aufsuchender Sozialberatung für wohnungslose Menschen in mehreren Sprachen.
Betroffen sind ohnehin schon marginalisierte Gruppen
„Es steht einiges auf dem Spiel“, sagt dessen Leiterin Monika Slobodzian zur taz. Sie befürchtet, dass sie die Begleitung bei Behördengängen zurückfahren muss. Doch die ist für obdachlose Menschen aus dem EU-Ausland existenziell: „Wenn Leute allein zu Behörden gehen, werden sie in aller Regel weggeschickt“, so Slobodzian, „denn es gibt keine funktionierende Sprachmittlung und keine Umsetzung von sozialrechtlichen Ansprüchen.“ arunter litten die Klienten. „Das sind ohnehin schon marginalisierte Gruppen, die dann noch weniger Unterstützung erhalten.“
Auch SPD-Sozialpolitiker Lars Düsterhöft wagt sich ans Mikro. Doch seine beschwichtigende Rede stößt auf taube Ohren. Die Isomatten werden zusammengerollt. Zurück bleiben kleine trockene Rechtecke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!