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Demo gegen EU-Urheberrechtsreform„Wir sind die Bots“

Erneut demonstrierten Tausende gegen die EU-Urheberrechtsreform, diesmal in Berlin. Sie kritisieren, dass Autoren und Kreative benachteiligt werden.

Wollen die Urheberrechtsreform nicht hinnehmen: „Berlin gegen 13“ vor dem Springer-Gebäude Foto: dpa

BERLIN taz | „Wir sind die Bots! Wir sind die Bots! Wir sind die Bots!“, ruft die Menge vor dem Bundesjustizministerium. Sie ruft es auch vor der Vertretung der Europäischen Kommission und dem Informationsbüro des Europäischen Parlaments. Nach zwei Demos in Köln letzte und vorletzte Woche sind am Samstag etwa 3.500 Menschen durch Berlin gezogen, um gegen die geplante EU-Reform zu demonstrieren.

Das Motto „Wir sind die Bots“ ist entstanden als Reaktion auf Äußerungen einiger EU-Politiker*innen. So hatte unter anderem Sven Schulze (CDU) Protestmails in einem Tweet als „Fake-Aktion“ bezeichnet. Genau deshalb sei sie auf der Straße, sagt eine Demonstrantin. „Ich habe das Gefühl, dass wir nicht wahrgenommen werden als die Menschen, die wir sind, sondern nur als irgendwelche Bots.“

Auf den Schildern stehen Botschaften wie: „Freie Liebe und freies Internet“, „Dieselfilter statt Uploadfilter“ und „Neues Copyright? Ja! Artikel 11, 12, 13: Nein. Nicht so!“ Zur Demo aufgerufen hatte ein Bündnis aus Freischreiber, der Digitalen Gesellschaft, dem Chaos Computer Club und Heart of Code. Auch bekannte Youtuber*innen beteiligen sich. Viele der Organisator*innen und Demonstrant*innen sind für eine neue Regelung bezüglich der Rechte von Urheber*innen im Netz. Doch nicht in der geplanten Form.

Die EU-Regelung ist adressiert vor allem an große Anbieter wie Google, Facebook und Twitter. Doch sei sie so aufgebaut, dass sie ausgerechnet die Urheber*innen am meisten treffe, schreibt das Demo-Bündnis in einem Aufruf. „Das Leistungsschutzrecht in Artikel 11 soll vor allem Verlagen neue Einnahmen sichern. Artikel 12 benachteiligt Autoren, Kreative und andere Urheber. Und die Uploadfilter in Artikel 13 […] schützen nicht etwa die eigentlichen Urheberinnen und Urheber, sondern sie behindern ihre Arbeit.“

Uploadfilter stehen im Zentrum der Kritik

Im Zentrum der Kritik steht Artikel 13. Da sind Uploadfilter zwar nicht wörtlich erwähnt, aber Vorgaben aufgezählt, die Online-Plattformen nur mit Uploadfiltern einhalten könnten. Es würde also eine Struktur geschaffen, die Inhalte, die Nutzer*innen ins Netz stellen wollen, vor dem Hochladen systematisch auf „Reinheit“ prüft. Unter anderem deshalb warnen auch IT-Expert*innen vor Nebenwirkungen der Reform, beispielsweise Fachjurist*innen und der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber.

Mit der Reform würden die Grundlagen für Internetzensur geschaffen, kritisieren die Demonstrant*innen. Zudem hätten Union und SPD den Koalitionsvertrag gebrochen: Dort hatten die Parteien Uploadfilter ausgeschlossen. Die CDU verteidigt die geplante Reform, besonders der verantwortliche Verhandlungsführer, der EU-Politiker Axel Voss (CDU). Er beruft sich darauf, dass das Wort „Uploadfilter“ in der Reform nicht auftaucht.

Niemand wolle solche Filter, sagte Voss dem Handelsblatt. Aber: „Ich kann nicht dafür garantieren, dass die Maßnahmen, die Plattformen ergreifen um ihrer Haftung gerecht zu werden, hundertprozentig arbeiten und deshalb die Meinungsfreiheit auch mal eingegrenzt wird.“ Um die Reform aufzuhalten und das EU-Parlament dazu zu bewegen, sie unter Berücksichtigung der Gegenvorschläge neu zu erarbeiten, sind weitere Proteste geplant: Der voraussichtlich größte am 23. März, in zahlreichen Städten Deutschlands und Europas.

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2 Kommentare

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  • Eine weitere hässliche Seite des Neoliberalismus.



    Unter dem Deckmäntelchen des Urheberrechtsschutz eingeführt, und sich angeblich primär an die großen Sozialen-Netzwerk-Anbieter richtend, wird hier TATSÄCHLICH über die Hintertür eine Internetzensur eingeführt und stetig weiter ausgebaut.



    Klar, irgendwann wird auch die größte Schlafmütze registrieren, dass der Neoliberalismus auch für ihn/sie schlecht ist und an Demonstration und Gegenwehr denken. Und für diese Zeiten baut unser Staat nun schon vor.



    Diesen Vorhalt muss sich unser Staat gefallen lassen. Denn sowohl die VDS, als auch die Einführung der DSGVO zeigen, dass sie tatsächlich auf ein völlig anderes Anwendungsfeld abzielen. Google, Facebook & Co. sind z.B. von der DSGVO überhaupt nicht betroffen, da sich unsere Datenschutzbehörden infolge des grenzüberschreitenden Datenverkehrs zur Einordnung und Unterbindung nicht in der Lage sehen. Oder nehmen wir die feuchten PAG-Träume in NRW und in Bayern. Offiziell wird das PAG (PolizeiAufgabenGesetz) vorangetrieben, um endlich Mittel gegen die richtig schlimmen Verbrecher in der Hand zu haben. Und eingesetzt wird das PAG gegen Baumbesetzer im Hambacher Forst (5 Tage Haft!).



    Die vor sich hindämmernde Bevölkerung muss endlich aufwachen und dem (nicht mehr nur schleichenden, sondern) zunehmend galoppierenden Kahlschlag des Rechtsstaates entgegentreten!!!

  • Hier zeigt sich einmal mehr das verkommene Demokratieverständnis der Europäischen Kommission: Ein Gesetzestext, der zu großen Teilen von Handreichungen der Industrie - Lobby übernommen wurde und das Urheberrecht auf die Interessen dieser Gruppen zuschneidet, stößt auf erheblichen Widerstand der Bevölkerung und fällt in der ersten Abstimmung des Parlaments just durch. Konsequenz: Artikel 13 wird einfach so lange zur Abstimmung freigegeben, bis das Haus entscheidet, wie genehm. Eine Petition, die mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen unterschrieben haben, wird ignoriert, der politische Aktivismus als "Fake Aktion" deklassiert. Und während des EU - Wahlkampfes lamentieren die Verantwortlichen jenes mangelnde Interesse und eine Erosion, die sie selbst tagtäglich praktizieren und vorantreiben. Die EU unter Jean-Claude Juncker und Seinesgleichen bleibt ein neoliberaler Superstaat ohne echte Demokratie.