Dementer Patient tot aufgefunden: In den Tod verirrt
Nach dem Tod eines dementen Patienten im Asklepios-Klinikum Wandsbek in Hamburg ist noch unklar, ob weitere polizeiliche Ermittlungen folgen.
Nach vorläufigem Stand starb der Mann relativ rasch an einem Herzinfarkt, nachdem er in die Abseite gelangt war, die nur durch eine etwa einen Meter hohe Stahltür erreichbar ist. Der Patient, der wegen einer Kopfverletzung auf der chirurgischen Station zur Beobachtung war, sollte am Tag seines Verschwindens entlassen werden. Bei der Entlassungsvisite war sein Verschwinden aufgefallen und man hatte zunächst hausintern nach ihm gesucht. Eine Stunde später alarmierte die Klinik die Polizei.
Deren Suchmaßnahmen orientierten sich laut Polizeipressesprecher „an der Einschätzung der Ärzte, dass keine Lebensgefahr besteht, sowie vor dem Hintergrund, dass im Krankenhaus bereits Suchmaßnahmen erfolgt waren“. Neben einer Nahbereichs- und Funkfahndung wurde auch das Polizeikommissariat 15, die Hamburger Davidswache, informiert, weil der Patient, der dort als Kommissar gearbeitet hatte, nach Auskunft der Angehörigen in der Vergangenheit mehrfach versucht hatte, zu Fuß dorthin zu kommen.
In die falsche Richtung führte ein Personenspürhund, der die Beamten vor dem Krankenhaus zu einer Bushaltestelle brachte, sodass der Verdacht bestand, der Vermisste könnte mit dem Bus davongefahren sein. Schließlich wurde nach einem richterlichen Beschluss öffentlich mit Foto nach ihm gefahndet.
„Nichts falsch gemacht“
Man habe „eigentlich nichts falsch gemacht“, sagt Mathias Eberenz, Pressesprecher des Asklepios-Konzerns. Die Kollegen hätten gewusst, dass der Patient „Orientierungsprobleme“ gehabt habe – sie hätten aber keine Veranlassung gehabt, anzunehmen, dass er die Station verlassen würde, bevor man ihm die Entlassungsdokumente gegeben hätte.
Zudem, so schreibt Eberenz noch in einer E-Mail, sei das „Klinikpersonal rechtlich leider nicht befugt, die Bewegungsfreiheit eines Patienten – selbst wenn er dement ist – auf sein Zimmer oder auf die Station einzuschränken“. Von daher gebe es, anders als in den Medien dargestellt, „keine echte Prüfung“, welche Konsequenzen aus dem Todesfall zu ziehen seien.
Und doch spricht Eberenz von „richtigen Konsequenzen“: Diese seien in „sehr langfristigen Diskussionen mit den Behörden“, aber auch in einem „gesamtgesellschaftlichen Vorgehen“ zu finden. Derzeit gebe es, so sagt der Konzernsprecher, „nur Insellösungen – befriedigend ist das alles nicht“.
Praktische Ansätze in den Asklepios-Kliniken seien besondere Beschilderungen oder Bodenmarkierungen, um dementen PatientInnen bessere Orientierung zu geben oder sie vom Weglaufen aus dem Zimmer abzuhalten, ohne sie einzusperren. Zudem gebe es Weiterbildungen, Qualitätszirkel und Infoveranstaltungen auf dem Weg zum „demenzfreundlichen Krankenhaus“.
„Es ist schwer zu sagen, was man da tun kann“, sagt der Geschäftsführer der Hamburger Alzheimer-Gesellschaft, Jörn Wieking, angesichts des Wandsbeker Unglücks. Todesfälle dieser Art bei Dementen seien „kein Einzelfall, aber Gott sei Dank nicht die Regel“. Dass die Krankenhäuser sich auf immer mehr demente Patienten einstellen müssten, die wegen anderer Diagnosen, etwa als chirurgische Notfälle, kämen, sei inzwischen als Thema erkannt. In Hamburg gebe es mehrere Kliniken mit spezialisierten Stationen für demente Patienten.
Jörn Wieking, Alzheimer-Gesellschaft
„Die Grundproblematik bleibt aber bei Akutfällen“, sagt Wieking. Wichtig sei nicht nur ein guter Personalschlüssel, sondern auch möglichst viel Kontinuität, um die Qualität der Betreuung zu sichern. Beides sei angesichts von Fachkräftemangel und Personalabbau nicht leicht zu realisieren. Gerade private Häuser wie Asklepios hätten viele Stellen gestrichen. Zudem seien große Kliniken mit vielen Abteilungen für demente Menschen besonders problematisch. Dennoch seien „auch alle anderen Häuser mit Risiko“ für demente Patienten behaftet.
Bei der Hamburger Gesundheitsbehörde hat die Arbeitsgruppe „Umgang mit Menschen mit demenzieller Erkrankung im Krankenhaus“ Empfehlungen zum Thema herausgegeben. Doch ob sie in den Häusern umgesetzt werden, wird nicht geprüft. Dabei, so bedauert Wieking, könne man Best-practice-Beispiele schaffen.
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