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Delegierte zeigen Stoiber die Gelbe Karte

■ Die Parteibasis schwächt die Position des CSU-Chefs. Der Grund: zu viele Affären

Nürnberg (AFP) – Um Haaresbreite ist Edmund Stoiber auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg an einer politischen Ohrfeige vorbeigeschrammt: Nur 90 Prozent der Delegierten stimmten für ihn – 3,4 Prozentpunkte weniger als im Januar. Eine einzige Stimme weniger und die symbolträchtige 90-Prozent-Marke wäre durchbrochen worden.

Eilig sprach der Parteichef nach der Stimmenauszählung von einem „großartigen Ergebnis“. Doch hinter seinem schmallippigen Lächeln war nicht zu sehen, ob der erfolgsverwöhnte Parteichef über die 90 Prozent eher erleichtert oder enttäuscht war. Die Affären der vergangenen Monate haben Kratzer am Erfolgsimage des einstigen „Lieblings der Partei“ hinterlassen: Von den Milliardenverlusten der Baugesellschaft LWS und der Landesbank über die peinliche Posse um die Entlassung von Justizminister Alfred Sauter (CSU) bis hin zur Koalitionsempfehlung für den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider.

Bis weit nach Mitternacht mischte sich der sonst nicht sehr Gesellige am Vorabend der Wahl unter die Delegierten. Gefühlsbetont erinnerte er an seine jahrzehntelange Bindung an die Partei. Doch die Nachtschicht des Parteichefs zeigte nur begrenzte Wirkung: 92 der 942 Delegierten zeigten ihm die Gelbe Karte; 22 Stimmzettel waren ungültig.

Stoiber selbst erwähnte die Affären der vergangenen Wochen und Monate auf dem Parteitag nur am Rande. Selbstkritische Worte waren kaum zu hören – statt dessen warf der Parteichef den Medien, vor, „Nebensächlichkeiten, Kleinigkeiten und kleine Abweichungen zu großen Schlagzeilen“ zu machen.

Es waren vor allem die Schwaben, die Stoiber auf dem Delegiertentreffen in die Quere kamen. Ex-Justizminister Sauter suchte demonstrativ die Nähe von Ex-Finanzminister Theo Waigel und die beiden einstigen Intimfeinde zeigten sich gut gelaunt Seite an Seite. Waigel hatte schon am Vorabend mit seiner Kritik am CSU-Steuerkonzept deutliche Seitenhiebe in Richtung Stoiber verteilt. Mit seinem Vorhalt, eine höhere Nettoverschuldung käme nicht in Frage, sorgte er am Rande des Parteitags für Aufregung.

Sein Landsmann Sauter indes hielt sich nach seiner Dauerfehde mit dem CSU-Chef zwar mit Kritik zurück – aber bereits seine Kandidatur für den Parteivorstand empfanden viele Delegierte als Kampfansage.

Der „Aufstand“ des abtrünnigen Schwaben scheiterte: Sauter kam bei der Vorstandswahl nur auf den vorletzten Platz und verpasste den Einzug in das Parteigremium um 51 Stimmen. Viele Delegierten werteten es aber dennoch als einen Achtungserfolg, dass Sauter 247 von 844 gültigen Delegiertenstimmen auf sich vereinigen konnte.

Die Wunden aus dem Streit mit dem Ex-Minister scheinen bei Stoiber denn auch tiefer zu sitzen, als es auf den ersten Blick scheint. Er gehe davon aus, nicht mehr nach der Kanzlerkandidatur gefragt zu werden, sagte der CSU-Chef unlängst im vertrauten Kreis: „Das ist das bleibende Verdienst von Alfred Sauter.“

B. Reitschuster/B. König

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