Delaware in den USA: Die beliebteste Steueroase
Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit stellt erstmals einen Schattenfinanzindex vor. Für alle überraschend: Der kleine US-Staat Delaware steht dabei ganz vorn.
BERLIN taz | Die größte Steueroase der Welt ist der winzige US-Bundesstaat Delaware. Zu diesem unerwarteten Ergebnis kommt das internationale Netzwerk für Steuergerechtigkeit in seinem am Montag vorgestellten Schattenfinanzindex.
Erst auf den folgenden Plätzen stehen Luxemburg, die Schweiz und die karibischen Kaimaninseln. Dann kommen die nächsten Überraschungen: Großbritannien mit seinem Finanzzentrum Londoner City und Irland. Als Steueroasen waren die bisher weniger bekannt.
"Der Begriff Steueroasen greift zu kurz", erklärt der Autor des Index, Markus Meinzer. "Intransparenz, die Verschleierung der Herkunft der Gelder und der Eigentumsverhältnisse ist das, was diese Finanzplätze erst so interessant macht." Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit spricht daher auch von "Verdunkelungsoasen".
Es gebe dort keine Offenlegungspflichten für Unternehmen, die Regulierung sei lax, das Bankgeheimnis undurchdringlich. Der Informationsaustausch mit den Finanzämtern anderer Staaten sei zudem mangelhaft. Die deutschen Krisenbanken IKB und Sachsen LB betrieben ihre hochriskanten Finanzgeschäfte, mit denen sie in die Pleite rutschten, in Delaware und Irland.
Das Netzwerk hat zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verdunkelung untersucht. Das Ergebnis wurde anschließend in Bezug zur Größe des Finanzplatzes gesetzt. Je größer der Anteil des jeweiligen Landes am internationalen Finanzdienstleistungsmarkt, desto größer auch die davon ausgehenden Risiken, so die Überlegung. Wie viel Schwarzgeld tatsächlich in diesen Finanzzentren angelegt ist, darüber gibt es keinerlei Daten.
Fest steht jedoch, dass sich ein gigantisches Schattenfinanzsystem etabliert hat, das den Gemeinwesen in Nord und Süd dringend benötigte Gelder entzieht. Allein die Steuerverluste, die die Entwicklungsländer nicht zuletzt durch die Beihilfe der Steueroasen erleiden, dürften sich auf das Doppelte der jährlichen Entwicklungshilfezahlungen belaufen, schätzt Georg Stoll von Misereor. Und auch Korruption in großem Stil sei kaum denkbar, wenn die Bestechungsgelder nicht an verschwiegenen Finanzplätzen angelegt werden könnten, meint Hansjörg Elshorst von Transparency International.
Die G-20-Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer, die am Wochenende in Schottland zusammenkommen, hätten das Problem der Steueroasen zwar erkannt, so Stoll, mit dem Schattenfinanzindex bekämen sie aber erst ein Werkzeug zur konsequenten Bekämpfung der Steueroasen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“