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Deine Lakaien

■ Der Text ist keine Party: Die traurigen Royalisten langweilten in der Bar jeder Vernunft

Erstens: die Sessel. Die sahen einfach dämlich aus. Auch wenn man sich gut vorstellen kann, dass diese ausladenden Möbelstücke fünf jungen Herren ein raumgreifendes Gefühl der eigenen Bedeutung verleihen. Aber fünf braune Ledersessel mit extradicken Lehnen, der Länge nach aufgereiht auf der kleinen Bühne der Bar jeder Vernunft? Das hatte etwas Verschnarchtes; ein Eindruck, der durch Mimik und Gestik der Akteure nicht unbedingt korrigiert wurde. Man hat schon aufgewecktere Schriftsteller gesehen.

Zweitens: das Publikum. Das war vor Beginn der Veranstaltung und auch die ersten zwanzig Minuten der Lesung über durchaus spaßbereit. Dann legte sich das. In großer Zahl erschienen war das Publikum auch, schließlich ist dem Buch „Hotel Tristesse“, das Montagabend gleich zweimal, um 19 und 22.15 Uhr, von seinen fünf Autoren vorgestellt wurde, schon eine breit gefächerte mediale Aufmerksamkeit zuteil geworden. Bekanntlich wurde bei dem aufgeschriebenen 200-Seiten-Gespräch schon von einem Manifest gesprochen. Und das, nicht wahr, hätte ja interessant werden können.

Drittens: der Ablauf. Man hätte sich nun natürlich auch vorstellen können, dass die Fab Five hier auf der Bühne ebenso locker miteinander plaudern, wie sie es ihren Angaben zu Folge drei Tagen im Hotel „Adlon“ für das Buch getan haben. In Wirklichkeit aber war es folgendermaßen: Erst liest Alexander von Schönburg brav ein paar seiner Sätze aus dem Buch vor. Dann kommt zum Beispiel Eckhart Nickel dran, der eine rhetorische Frage einstreut, dabei aber das Timing verhaut. Dann liest wieder Alexander von Schönburg, was Joachim Bessing zum Widerspruch reizt. Beziehungsweise in dem Buch gereizt hat, beim Vorlesen aber nur zur staubtrockenen Rezitation reicht. Schließlich folgt Benjamin von Stuckrad-Barre, der die Episode mit heiteren Sottisen würzt. Und irgendwann stockt das Gespräch endgültig. Das war immer an den Stellen, an denen der Fünfte im Bunde, Christian Kracht, eigentlich seinen Einsatz gehabt hätte. Wobei Christian Kracht als einziger jedenfalls so etwas wie Ausstrahlung versprühte – die dezent morbide Ausstrahlung dessen, dem seit zwanzig Jahren sowieso schon alles egal ist.

Ach ja, der Inhalt: Gesprochen wurde über Werbeclips, den Musiker Prince, die Strategie des Remodeling, Groupies, Lakaien (seit langem dies Wort mal wieder in ursprünglicher Bedeutung gehört, als Dienstpersonal) und manches mehr. In Wirklichkeit aber ging es natürlich um Posen: die Pose, zu allem etwas zu sagen haben zu müssen; und vor allem aber auch diejenige, sich um das Publikum wirklich in keinster Weise zu scheren. Wenn das wirklich die Absicht war – und eigentlich spricht kaum etwas dagegen –, dann ist er tatsächlich gründlich gelungen.

Die Folge: Fünf junge Schriftsteller trafen sich, und alle Zuschauer schliefen ein. „Irony is over“, so steht es auf der Rückseite einer von Christian Kracht herausgegeben Sammlung von Kurzgeschichten. Bitte: Das war, ganz unironisch gesprochen, eine von vorne bis hinten langweilige Veranstaltung. Dirk Knipphals

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