Deconstructing Bertolt Brecht

■ In der Reihe „Who's Uncle Mo?“ traute sich Peter Apel mit Jazzbrigade an den Giftschrank des Dichters

Wenn die Erben Brechts das wüssten! Da bemühen sie sich diktatorisch darum, jede Besudelung ihres heiligen Bertolt durch ketzerische Inszenierungen oder respektlose Textauswahlen im Keim zu ersticken, und da kommt ein lokaler Jazzgitarrist daher, nimmt sich Texte aus dem Giftschrank des Herrn B. und dekonstruiert sie bis zur Kenntlichkeit! In zwei programmatisch eingeteilten Sets stellten Peter Apel, der Schlagwerker und Marimbafon-Spieler Jörn Schipper und die Cellistin Anka Hirsch im Moments einen Brecht vor, der frech auf zwei Attitüden reduziert wurde: den „Revolutionär“ und den „Matrosen“.

Ganz im Trend der DDR-Retro à la „Sonnenallee“ begann das Konzert mit der Einspielung der gruselig-fröhlichen Hymne „Wir jungen Pioniere“ – als einziger Text des Abends nicht von Brecht. Aber dessen bald folgendes „Solidaritätslied“ macht im gleichen Grundton weiter, und hier erkannte man schnell die Methode von Apel und Co.: Einerseits sang er, schrie sogar manchmal, den Text mit viel Emphase ins Mikrophon, zum anderen spielten die drei das Stück aber mit Gusto ins Chaos hinein. „Die Solidarität“ wird da schmerzhaft durch den Fleischwolf gedreht.

Die Methode ist bekannt: Das ist Jimi Hendrix' Gitarren-Schlacht mit der amerikanischen Nationalhymne, und auf diesem neobrechtschen Verfremdungseffekt basierte das ganze Konzert. Brechts „Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront“ begann mit Schallplattenknacken und der Originalstimme von Ernst Busch, der Apel dann so widersprach, dass dieses erzwungene Duo den alten Kommunisten wohl im Grabe herumwirbeln ließ. Der feinsinnige, poetische Brecht hatte hier keine Chance.

Im ersten Teil wurden fast nur seine plakativen Agitprop-Texte –im doppelten Sinne – vorgeführt, die von Eisler proletarisch zackig vertont worden waren und für die Bert Brecht nicht im Dichterolymp Aufnahme gefunden hat. Nach der Pause wurde von Eisler zu Weill gewechslt, und musikalisch bedeutete das, dass Apel, Schipper und Hirsch ein wenig entspannter jazzen konnten. Jetzt mussten sie nicht mehr gegen das Notenmaterial anspielen, hier konnten sie zeigen, dass ihnen diese Stücke gefielen.

Die „Ballade von der sexuellen Hörigkeit“ wurde gar als „Instrumental“ auf Marimbaphon und Cello gespielt, und spätestens hier bewiesen Jörg Schipper und Anka Hirsch mit einer sehr schönen Interpretation, dass sie nicht nur die Collagetechnik des ersten Sets beherrschen, bei der man oft die Einspielungen von den live gespielten Tönen kaum unterscheiden konnte.

Auch literarisch wurde in der zweiten Hälfte ein anderer Gang eingelegt: Apel sang „Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ („Ja, mach nur einen Plan“) verständlich (bei ihm nicht selbstverständlich) und „ungebrochen“. Eine von Brechts Matrosengeschichten rezitierte er gar als antikapitalistisches Seemannsgarn. Angenehm auch, dass die drei die Finger von den schon tot-interpretierten Greatest Hits „Surabaja Johnny“ und „Mack the Knife“ ließen. Der „Alabama-Song“ war als Zugabe dagegen zu verlockend, aber hier sang Jim Morrison im Gedächtnis lauter als Peter Apel auf der Bühne. Wilfried Hippen