Debütanten in der Nationalmannschaft: Umtausch nicht ausgeschlossen
Gegen Schweden will Bundestrainer Joachim Löw neue Talente testen. Einigen wird eine große Zukunft vorhergesagt. Doch das galt auch für andere, die es nicht schafften.
Er kommt gut an, der Bundestrainer. Joachim Löw weiß das nicht erst, seitdem sich die vielen mehr oder viel weniger prominenten Menschen in Potsdam bei der Bambi-Verleihung von ihren Stühlen erhoben und ihm minutenlang im Stehen applaudiert haben, nachdem ihm ein metallenes Kitz überreicht worden war.
Er weiß auch, dass die Sportredaktionen dieses Landes nicht über ihn herfallen werden, wenn er für ein Freundschaftsspiel gegen Schweden zum Ende einer Saison ein paar der besten deutschen Spieler für ein Länderspiel nicht nominiert und diese durch ein paar Jungspunte ersetzt, von denen der jüngste, der 18-jährige Mario Götze, gerade einmal 16 Mal in der ersten Bundesliga für Borussia Dortmund auflaufen durfte.
Er kann nach dieser Weltmeisterschaft, bei der er ein junges Team forsch hat spielen lassen, derzeit beinahe tun und lassen, was er will. Und jetzt will er sich die jungen Typen, die die Liga im ersten Drittel der Saison so aufgemischt haben, einmal aus der Nähe ansehen. Ob die Jungs dann tatsächlich einmal eine respektable Nationalmannschaftskarriere hinlegen werden, das ist indes äußerst ungewiss.
Löw testet gerne, wie gut Spieler, die mit den Erfolgen ihrer Klubs nach oben gespült wurden, wirklich sind. Als die TSG Hoffenheim vor zwei Jahren an die Bundesligaspitze gestürmt ist, da erhielt der damals 23-jährige Verteidiger Marvin Compper schnell eine Einladung zum Nationalteam. Im November 2008 debütierte er beim Freundschaftsspiel gegen England (1:2) im DFB-Trikot und durfte im Anschluss vom Podium der Pressekonferenz schildern, wie es so war als Nationalspieler. Toll wars, hat er gesagt und ward nie mehr gesehen im Kreise der Elitekicker.
Auch andere vermeintliche Hoffnungsträger des deutschen Fußballs wurden schnell durchgeschleust durchs Nationalteam. Wer erinnert sich noch an das Länderspiel von Comppers Klubkollegen Tobias Weis, an Roberto Hilberts acht Auftritte im Nationaltrikot oder an die fünf Spiele von Gonzalo Castro?
Doch ein Blick auf das WM-Team zeigt, wie sehr Löw auf die Jugend setzt. Die jungen Männer, die gegen Schweden spielen werden, sind mit Ausnahme von Götze keinesfalls jünger als diejenigen, um deren Plätze im Team sie kämpfen. Holger Badstuber (21), Thomas Müller (21), Mesut Özil (22), Jerôme Boateng (22) und Toni Kroos (20) haben es in Südafrika geschafft, "ein Turnier zu spielen, mit dem man die Leute zu Hause begeistern konnte", wie Bastian Schweinsteiger, der die Mannschaft Mittwoch Abend als Kapitän aufs Feld führen wird, in Göteborg meinte.
Das ist der Maßstab, an dem sich die Mainzer André Schürrle (20) und Lewis Holtby (20) sowie die Dortmunder Mats Hummels (21), Kevin Großkreutz (22) und Marcel Schmelzer (22) messen lassen müssen. Leicht wird das nicht für sie. Was die Dichte der Talente betrifft, "da sind wir anderen Nationen voraus", ist sich Schweinsteiger sicher, der 19 war, als er 2004 sein erstes Länderspiel bestritt.
Er hatte indes im Gegensatz zu seinen jungen Auswahlkollegen von heute nur wenig gleichaltrige Konkurrenz. Die Talente, die es gab, bekamen kaum Einsatzzeiten in ihren Bundesligaklubs: Jürgen Klinsmann, Löws Vorgänger, machte Fußballer zu Stammspielern im Nationalteam, die in ihren Klubs damals nur selten über 90 Minuten zum Einsatz kamen. Einer von ihnen war Schweinsteiger.
Löw hat es da besser. Er schätzt den "Mut und die Geduld" der neuen Trainergeneration in der Liga. "Das tut den Jungs gut. Sie werden gefördert und kommen so schon in jungen Jahren auf rund 30 Saisonspiele", sagte er zu Wochenbeginn. Und vielleicht wird das Spiel in Schweden ja für einen der jungen Männer mehr als nur eine Stippvisite, ein "Reinschnuppern", wie es Schweinsteiger nannte. Der Dortmunder Schmelzer spielt hinten links auf der einzig echten Problemstelle im deutschen Team.
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