piwik no script img

Debütalbum von US-Koreanerin YaejiSüßes böses Werkzeug

„With a Hammer“, das Debüt der US-koreanischen Künstlerin Yaeji ist ein formidables Popalbum, das wütende Texte musikalisch einfallsreich darreicht.

Weiß, wo der Hammer hängt: Yaeji Foto: Dasom Han

„Es gibt keine Zeit, innezuhalten“, stellt Yaeji fest. Nichts-tun erstickt sie, also holt sie den Hammer raus, um zu zerstören, was ihr die Freiheit im Leben raubt. „With A Hammer“ heißt das Debütalbum der US-koreanischen Produzentin. „Warum glauben wir, dass Zukunft als Ort so weit entfernt ist?“, fragt Yaeji auf Koreanisch im Auftaktsong.

„Submerge FM“ beginnt mit Flöten und kleinen Vokalübungen aus dem Computer, bevor Gesang einsetzt, an der Seite von Bassdrum und Claps. Die Zukunft sei bereits jetzt, genauso wie die Vergangenheit, heißt es weiter – auch wenn das nicht alle verstehen: „Internet said there’s nothing we can do to save the future generation“, konstatiert Yaeji, diesmal auf Englisch.

„With A Hammer“ ist Yaejis erste Veröffentlichung im Albumformat. Kathy Yaeji Lee, geboren 1993 in den USA, aufgewachsen in Südkorea, lebt inzwischen in New York. Während des Studiums in Pittsburgh begann sie als DJ aufzulegen, veröffentlichte 2017 den ersten kleineren Tanzflächen-Hit „Raingurl“, es folgten mehrere EPs und 2020 das Mixtape „What We Drew 우리가 그려왔던“.

Von ihrer House-Sozialisierung hat sich Yaeji auf ihrem Album nun weitgehend gelöst, das instrumentale Spektrum ist erstaunlich vielfältig. Da sind die Flöten auf dem Opener, die kurz vor Schluss in „1 Thing To Smash“ mit elektronischem Hall belegt wieder auftauchen. Und ein majestätisches Bläserarrangement eröffnet „I’ll Remember For You“.

Yaejis Stimme bleibt dabei in allen Songs das zentrale Werkzeug, sie schwebt manchmal in einer hellen Klarheit über den Instrumentals, mal nuschelt sie sich zwischen die Synths, erscheint mal geflüstert und meist äußerst nah am Ohr. Mühelos wechselt sie zwischen den Sprachen. Oftmals pitcht Yaeji ihre Stimme, verzerrt sie zu fast unnatürlicher Kindlichkeit.

Yaeji

Yaeji: „With a Hammer“ (XL/Beggars/Indigo)

Die Produzentin spielt so auch mit den Projektionen auf sich als koreanische Amerikanerin. Denn mit koreanischer Popkultur assoziieren viele eine Faszination an bunten Bildern, digitaler Technik und eben Kindlichkeit. „Aegyo“, wird diese spezifische Spielart von Niedlichkeit genannt.

„Isn’t it our mission in this life to / Break the cycles, to mend the cycles?“, scheint Yaeji das zu kommentieren und lädt dazu ein, Festgefahrenes nicht nur in Frage zu stellen – sondern eben mit dem Hammer zu bearbeiten und ganz neu wieder aufzubauen. „I’ll kick down the door / Face it straight / I’m with the hammer / And I’ll break it down“, heißt es in „Michin“, einem der brachialsten Stücke des Albums. Ansonsten klingt die Musik alles andere als destruktiv, eher introspektiv und versöhnlich.

Erst fies, dann nett zu Glaskugeln

In „Passed Me By“ erzählt Yaeji davon, sich selbst zu begegnen und fast nicht zu erkennen. Mit ihrem Hammer zerstört sie im dazugehörigen Video Glaskugeln, als seien es Illusionen, nimmt sich aber eine Szene weiter tröstend in den Arm. Yaejis Energie richtet sich somit weder gegen sich noch gegen andere. Im Gegenteil, ihr Willen zur Veränderung soll nicht nur ihr selbst zugutekommen. „Hand me over what’s been distressing you / I’ll smash it for you“, singt sie an der Seite der britischen Produzentin Loraine James, einem der wenigen, eher im Hintergrund verbleibenden Features.

Yaeji braucht auch nicht wirklich den Input von anderen, denn sie schafft – auch durch ihr Spiel mit den Sprachen und ihrer charakteristischen Stimme – einen singulären Klang zwischen Tanzmusik und Introspektion.

Der titelgebende Hammer trägt dabei übrigens auch einen Namen, Hammer Lee, und ein kleines Gesicht aufgemalt, süß, aber auch irgendwie böse. Auf jeden Fall ist dieser Hammer im Albumformat einer von Yaejis engsten Verbündeten im Kampf gegen die Strukturen, die sie äußerst überzeugend auf diesem Debüt niederreißt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!