Debüt von Hamburger Ducks On Drugs: Zwei Fremdkörper, eine Liebe
Ducks on Drugs nennt sich das Hamburger Popduo aus Ente Schulz und Daniela Reis. Sein Album „Stabil Labil“ vertont die Geschichte einer Amour Fou.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu, aber es werden weiterhin gute Alben veröffentlicht. Ein besonders Bemerkenswertes ist das Debüt des Hamburger Duos Ducks On Drugs, das noch kaum jemand kennt, aber niemand so schnell vergessen wird, der einmal seine Songs gehört hat. Denn der vibrierenden Musik und den schlauen Texten der beiden Musiker:Innen auf „Stabil Labil“ kann man sich nur schwer entziehen.
„Wir sind zerrissen zwischen Wildnis und Zivilisation / Wie Mowgli und Balu im Dschungelbuch schon / Wir sind zerrissen / Willkommen im Club, wir sind kaputt“, wird im Auftakt „Mowgli“ der unsichere Zustand in einer Gegenwart im permanenten Ausnahmezustand skizziert. Daniela Reis und ihrem Partner, Ehemann Ente Schulz, gelingt hier eine Erzählung von Liebe, Schmerz und (Sehn-)Sucht, auch jener zueinander.
Reis wurde als Hälfte des kongenialen Duos Schnipo Schranke wie ein Komet am Himmel gefeiert und überall bekannt, ist aber auch wieder verglüht. Ente Schulz begleitete die beiden Künstlerinnen damals als Schlagzeuger und Keyboarder auf Tour. Nach dem Zerwürfnis von Reis und ihrer Partnerin Fritzi Ernst und der daraus resultierenden Auflösung gründeten Reis und Schulz dann Ducks On Drugs: Erstes Lebenszeichen war 2019 das Stück „Endzeit“ in einer der letzten Folgen der eingestellten TV-Serie „Lindenstraße“.
Liebe zum Leben, Liebe zueinander
Heute veröffentlicht das Hamburger Duo sein Debütalbum „Stabil Labil“, das entwaffnend und unbekümmert von Beobachtungen und von Risiken der beiden Individuen auf ihrem gemeinsamen Weg berichtet; von der großen Liebe zum Leben und der Liebe zueinander wird freimütig gesungen. „Ich war depressiv und jung / Du ohne Beschäftigung / Heute sind wir nüchtern und wir bleiben süchtig / Deswegen ist uns die Glotze so wichtig“ resümiert Reis auf dem Stück „Baby Duck“, bevor „Die lange Nacht des Rückfalls“, neue Süchte anderer Art beschreibt.
Ducks on Drugs: „Stabil Labil“ (Audiolith/Broken Silence)
Dass diese nicht immer mit nächtlichem Fernsehkonsum zu tun hatten, macht nicht nur der Song unmissverständlich klar: „Wir haben beide Probleme mit Drogen / Deswegen sind wir nach St. Pauli gezogen / Hätten wir uns nicht gerne gratis besoffen / Hätten wir uns nie Backstage getroffen“ – wie viel „hatten“ im Wörtchen „Haben“ steckt, bleibt offen.
Es ist das Finale des Albums, das die Geschichte einer Amour fou von Anfang an erzählt. Aus der prekären Perspektive der beiden, die sich immer wieder miteinander kreuzen, entstehen reduziert instrumentierte Songs. Es werden so heftige Gefühle zu Musik verarbeitet, dass man die Lieder erst mal auf sich wirken lassen muss. Die Songs lösen ihrerseits schwer zu greifende, aber durchaus wohlige Emotionen aus. In den Texten geht es immer wieder um harte Auseinandersetzungen mit sich selbst und den Fallstricken der Liebe.
Wahnsinn und Optimismus
Trotz allen Wahnsinns strahlt die Musik Optimismus aus und ergeht sich nicht in Wehklagen. Ducks On Drugs geben sich Sicherheit, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Mehr noch, sie scheinen Schmerzen zu lieben, die zum Leben dazugehören, ohne Scham und ohne Peinlichkeiten. Folgerichtig verzichtet ihr Album auf Balladen. Kitschig ist „Stabil Labil“ trotzdem. „Ich bin dein Schmerz / Ich küss dich wach / Wenn du Bubu machst / Dein rasendes Herz bei Nacht / Und bei Fieber. / Du bist schon welk / Doch noch nicht hinüber“, textet Reis in einer Art Moritat bei „Ich bin dein Schmerz“, einem der zentralen Stücke des Albums. Ein simpler Drumbeat hier, ein bisschen Gitarre dort, mal eine Orgel oder Computersounds, nichts drängt sich auf und nichts fällt ab, aber alles ist sehr poppig und tanzbar.
Die Adoleszenzprobleme von Schnipo Schranke sind Geschichte, die Obszönität ihrer Texte ist es ebenso, aber die Direktheit, vor allem im Umgang mit Sprache, ist Ducks On Drugs geblieben. Reis spielt Gitarre und singt deutlich, Ente Schulz schreit mehr aus dem Hintergrund, wie ein Sidekick. Er bedient Drums und Tasten. Die beiden Künster:lnnen wirken bei allem, was sie machen, wie zwei Fremdkörper, die sich gefunden haben.
Empfohlener externer Inhalt
Süße Musik
In der Gesamtdarstellung ist das ernsthaft und durchaus auch urkomisch. Und ganz offensichtlich ist „Stabil Labil“ das angstlose, lebensbejahende Album geworden, dass es sein wollte. Ohne die ordnende Liebe wäre diese ausufernde Erzählung zweier chaotischer Leben kaum möglich gewesen. Und ohne Drogen? Auch das bleibt offen. Nach diesem Debüt bleibt noch eine Gewissheit: Dem Nachfolgewerk darf man schon jetzt optimistisch entgegensehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis