Debatten-Vorankündigung: ABM wofür?
■ Die Kosten-Nutzen-Bilanz des altes Instrumentariums ABM ist skandalös
Das System ABM muss versagen, weil es nicht die richtige Antwort auf die aktuellen Probleme auf dem Ostdeutschen Arbeitsmarkt ist. Dies ist, auf eine knappe Formel gebracht, die Position von Katja Barloschky, in Bremen noch vom Verband Bremer Beschäftigungsträger bekannt, derzeit in Berlin als „Geschäftsführerin der BAG Arbeit“ im Grunde die Bundesvorsitzende der Lobby dieser Art von Träger-Vereinen.
Barloschky kommt nach Bremen: Am Mittwoch (20 Uhr) wird sie in der Angestelltenkammer mit der Arbeitssenatorin Hilde Adolf und dem Stern-Redakteur Walter Wüllenweber über diese These streiten.
Wüllenweber hatte die Debatte ausgelöst durch einen provozierenden Stern-Artikel: ABM-Stellen in Ostdeutschland sind reine Verschwendung von Steuermitteln, hatte Wüllenweber geschrieben, und einige Beispiele gebracht, nach denen einzelne ABM-Leute für 3000 Mark im Monat Vögel zählen sollten.
Im Jerichower Land gibt es 532 Kilometer Straße, ABM-Kräfte bauten dort insgesamt 598 Kilometer Radwege und müssen sie nun von der wuchernden Natur freihalten, weil kaum ein Radfahrer einen Grashalm niederfährt. Alte Stasi-Seilschaften, so die Stern-Reportage, bedienen sich in neuen Seilschaften, mit „Arbeitsbeschaffung“ hat das System nichts zu tun.
Katja Barloschky widerspricht den Beispielen nicht: „Viele Beispiele decken sich auch mit unseren Erfahrungen“. Sie könnte nur einige positive Beispiele anführen, das Problem aber sitzt für sie woanders: Das Instrument „ABM“ unterstellt einen Arbeitsmarkt, auf dem prinzipiell nach einer befristeten Maßnahme eine Stelle zu haben wäre. Aber das wird in den neuen Ländern nicht der Fall sein, man geht derzeit davon aus, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern noch zehn Jahre lang „prekär“ sein wird.
ABM-Stellen dürfen keine sinnvolle Arbeit, die auch privat organisiert werden könnte, wegnehmen. Folge: ABM-Stellen sind oft so betriebsfern, dass kaum ein Qualifizierungseffekt damit verbunden ist. Wenn es aber einen „radikalen Wandel der Arbeitsgesellschaft“ gibt, dann muss sich auch das arbeitsmarktpolitische Leitbild wandeln. ABM organisiert Hilfestellung in der Gesellschaft der Vollbeschäftigung, in der jeder das Recht auf Teilhabe an Arbeit und Bildung hat.
Viele der Arbeitslosen haben dieses Recht in Wahrheit aber nicht, in den neuen Bundesländern zeigt sich dies ganz besonders krass. Aus einem neuen Leitbild könnten neue Instrumentarien entwickelt werden, die realitätstüchtiger sind. „Wir fordern nicht mehr und nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik unseres Landes. Für ein solches mittelfristiges Projekt braucht es Mut; ob die Bundesregierung diesen Mut aufbringt, ist noch nicht ausgemacht.“
Katja Barloschky hat nicht nur den Stern-Reporter dazu bewegen können, sich nach der reißerischen Kritik auch an der arbeitsmarktpolitischen Debatte zu beteiligen. Auch Bremens sozialdemokratische Arbeitssenatorin Hilde Adolf will sich der Diskussion stellen.
K.W.
Mittwoch, 20 Uhr, Angestelltenkammer, Bürger 1.
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