Debatte: Unternehmen mit Aussicht
Im von Krieg verwüsteten Kongo arbeiten einzelne deutsche Firmen. Werden sie politisch klug begleitet, können sie viel zu einem friedlichen Aufbau beitragen.
Unternehmen mit Aussicht
Dominic Johnson ist seit 1990 Afrika-Redakteur der taz und leitet heute zusammen mit Barbara Oertel das Ausslandsressort. Seine Kolumne „afrobeat“ erscheint seit 2014 etwa alle sechs Wochen.
Im von Krieg verwüsteten Kongo arbeiten erfolgreich einzelne deutsche Firmen. Werden sie politisch klug begleitet, können sie viel zu einem friedlichen Aufbau beitragen
D ie Demokratische Republik Kongo steht für einen der brutalsten Kriege der Neuzeit: Hunderttausende wurden bei Massakern getötet, es herrschten brutale Milizenführer, Millionen Menschen verhungerten oder starben an Krankheiten, die sich ungehindert ausbreiten konnten. Die von der Bundeswehr abgesicherten freien Wahlen vergangenes Jahr haben an dieser Wahrnehmung und auch an der Realität dahinter nicht viel geändert. In den ostkongolesischen Kriegsgebieten nehmen Mord und Vertreibung wieder zu, und die Stimmen mehren sich, die vor einem neuen Krieg warnen.
Aber der Kongo steht auch für anderes: eine Bevölkerung, die trotz widrigster Umstände tatkräftig ihren Alltag organisiert, neuen Ideen und Wirtschaftspraktiken aufgeschlossen gegenübersteht und sich ihrer Heimat stark verbunden fühlt. Teils liegt das daran, dass die im Kongo sehr brutale Kolonialherrschaft die traditionellen Institutionen gründlich hinwegfegte und Staat und Wirtschaft die Kongolesen bisher meist ausgrenzten. Auf sich selbst und ihr direktes Umfeld zurückgeworfen, haben die Menschen lernen müssen, sich wandelnden Gegebenheiten anzupassen. So haben sie sich eine gesunde Skepsis gegenüber Autoritäten und Ideologien zugelegt. Ob der Wiederaufbau des Landes gelingt, hängt davon ab, ob dieser unabhängige Bürgergeist oder der autoritäre Staatsapparat sich durchsetzen.
Deutschland spielt dabei eine größere Rolle, als es seine relativ untergeordnete Bedeutung in Afrika vermuten lässt. Der deutsche Einfluss im Kongo ist vor allem im wirtschaftlichen Bereich immens, und weil er sich vom Staat relativ fernhält, liegt darin eine große Chance.
Drei deutsche Unternehmen im Kongo zeigen, worum es geht. Der Großteil des kongolesischen Staatsgebiets ist von Regenwald bedeckt, die Mehrheit der 60 Millionen Kongolesen lebt in Waldgebieten - die größte Holzfirma des Kongo ist deutsch. Das Bankenwesen ist der wichtigste Bestandteil einer formellen Wirtschaft und in seinem jetzigen korrupten Zustand im Kongo das größte Hindernis für sauberes Wirtschaften - die Bank mit den meisten Kunden im Kongo ist deutsch. Der kriegsgeschüttelte Ostkongo mit 20 Millionen Einwohnern, von denen mehrere Millionen den Kriegsfolgen zum Opfer gefallen sind, leidet unter einem großen Mangel an bezahlter Arbeit und an Gesundheitsversorgung - unter deutscher Regie arbeitet dort die größte Medikamentenfabrik des Landes. Diese drei Unternehmen, die Holzfirma "Société Industrielle et Forestière du Congo" (Siforco), die Bank ProCredit-Congo und der Malariamittelhersteller Pharmakina, haben in ihren Sektoren eine zentrale Bedeutung.
Siforco, Tochter der Danzer-Gruppe, arbeitet als Holzfirma im Regenwald in einem besonders sensiblen Geschäftsfeld. Dass es politisch kaum reguliert wird, hat katastrophale Folgen: Es wird unkontrolliert abgeholzt, Waldkonzessionen werden illegal vergeben, asiatische Ankäufer befördern die Rodung. Die deutsche Firma ist einer der größten Konzessionshalter in Kongos Regenwald, und ihr Einfluss auf die Art und Weise der Nutzung des Tropenwaldes, auf die Machtverhältnisse in seinen Konzessionsgebieten und auch auf Kongos zukünftige Forstpolitik ist erheblich. Das Unternehmen hält sich an die Gesetze und bemüht sich, sein soziales Engagement zu verstärken. Doch das Verhältnis zur Bevölkerung ist konfliktreich, und mit der Regierung bestehen politische Differenzen. Welche unternehmerischen Entscheidungen Siforco trifft, müssten viel stärker als bisher in einen Rahmen einbezogen werden, in dem Deutschland insgesamt seine Politik zum Schutz des Kongo-Regenwaldbeckens definiert.
Die Bank ProCredit, die größte deutsche Investition im Kongo seit Kriegsende 2003, hat aus dem Stand heraus etwas geleistet, was das Land bisher nicht kannte: normale Finanzdienstleistungen anzubieten. Neben Bankkonten vergibt sie Mikrokredite an Kleinunternehmer, wirtschaftet aber nach streng kommerziellen Maßstäben und zeigt damit, dass sie ihre Kunden ernst nimmt. ProCredits gigantische Wachstumsraten zeugen von einer höheren Durchschlagskraft, als Mikrokreditprojekte der Entwicklungshilfe sie besitzen. Dieses Engagement ist ausbaufähig. Dass die Gründung dieser Bank ohne Korruption möglich war, setzt auch Maßstäbe für künftige unternehmerische Aktivitäten im Kongo.
Der Medikamentenhersteller Pharmakina in der von Dauerkriegen mit Milizen umgebenen Metropole Bukavu im Osten des Kongo schließlich hat während der finstersten Kriegsjahre nicht nur die Schließung vermeiden können, sondern auch in neue Produktionsanlagen investiert und seine Aktivitäten von Malariamitteln auf Aidsmedikamente erweitert. Das zeigt, was auch unter widrigsten Bedingungen im Kongo möglich ist. Jetzt, in Erwartung von Friedenszeiten, müssten die Fähigkeiten und Erfahrungen Pharmakinas dringend zum Aufbau eines funktionierenden Gesundheitswesens genutzt werden.
Diese unterschiedlichen Erfahrungen des Privatsektors im Kongo werden bislang von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu wenig genutzt. Entwicklungshelfer und Unternehmer gehen sich aus dem Weg und schätzen sich gegenseitig gering. Die Bundesregierung, Entwicklungshilfeorganisationen und die deutsche Wirtschaft sollten endlich an einem Strang ziehen und Synergien zwischen privaten und öffentlichen Initiativen ermöglichen.
Im besonderen Kontext des Kongo ist die herausragende Rolle einzelner Privatunternehmen besonders wichtig. Es besteht im Kongo ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Unternehmen dazu beitragen müssen, die Lebensbedingungen der Bevölkerung in ihrem Umfeld zu verbessern. Es war nie der Staat, der für die Menschen im Kongo sorgte - weder in der Kolonialzeit noch in den postkolonialen Diktaturen. Privatinitiativen bleiben die wichtigste Quelle sozialer Leistungen. Wenn Großbetriebe sich jetzt für Investitionen interessieren, erwartet die Bevölkerung viel von ihnen. Dem Staat hingegen traut sie nicht. Vergangenes Jahr wurden die Kongolesen danach befragt, was sie dem Staat sagen würden, wäre er eine Person - die beliebteste Antwort war "Ich würde ihn umbringen".
Sollten die Privatinvestitionen, auf die Kongos neue Regierung als Motor des Wiederaufbaus hofft, allerdings unter ähnlich ausbeuterischen Bedingungen stattfinden wie bisher in der Geschichte des Landes, dürfte der Vorteil für die Bevölkerung gering sein. Auslandsunternehmen im Kongo bewegen sich auf einem schmalen Grat. Kongos Bevölkerung bringt ihnen immense Heilserwartungen entgegen - aber zugleich großes Misstrauen. Sie können sich keinen Fehltritt erlauben und müssen mit extremer Sensibilität agieren, begleitet von dem breiteren Engagement der Politik. Dann können sie zum Aufbau einer Friedensökonomie in einem Land beitragen, das noch nie etwas anderes als Gewaltherrschaft gekannt hat.
DOMINIC JOHNSON
Dominic Johnson ist taz-Afrika-Redakteur. Gestern veröffentlichte das Ökumenische Netzwerk Zentralafrika die von ihm recherchierte Studie "Von der Gewalt- zur Friedensökonomie: Deutsche Unternehmen in der DR Kongo".
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