Debatte zur Schuldenbremse in Hessen: Gerangel um Coronahilfs-Geld

Der Hessische Landtag kann sich nicht entschließen, die Schuldenbremse zu kippen. Nun plant die Regierung einen gewagten Schritt.

Tarek Al-Wazir

Der hessische Finanzminister Tarek Al-Wazir im Wiesbadener Landtag bei der Corona-Debatte Foto: Arne Dedert/dpa

FRANKFURT/ MAIN taz | Im Hessischen Landtag kam es am Dienstag zu einem Eklat. Von einem „Tabubruch“ und der „brutalstmögliche Aushebelung demokratischer Rechte“ sprachen SPD und FDP. Was war passiert?

Der erbitterte Streit entzündete sich ausgerechnet an der Schuldenbremse, die CDU, SPD, Grüne und FDP einst zusammen in der Verfassung verankert hatten. Denn die grün-schwarze Regierung will die Schuldenbremse jetzt aussetzen, um die Auswirkungen der Coronakrise zu bekämpfen. Weil die Opposition aber nicht zustimmen will und so die nötige Zweidrittelmehrheit für das Aussetzen der Bremse nicht zustande kam, ging die grün-schwarze Regierung einen drastischen Schritt.

Am Dienstag brachten die Regierungsfraktionen einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, um das Ausführungsgesetz der Schuldenbremse kurzerhand zu kippen. Künftig soll die einfache Landtagsmehrheit zur Aushebelung der Schuldenbremse ausreichen.

Hieran entzündete sich die Wut der Oppositionsfraktionen, die sich im drastischen Vorwurf des „Tabubruchs“ Luft machte. Die schwarz-grüne regierungsmehr wies die heftige Kritik als „Populismus“ zurück.

Hilfe auf Pump

Was zurvor passiert war: Sechs lange Verhandlungsrunden hatten die Regierungsparteien CDU und Grüne mit SPD und FDP um den Plan gerungen, ein „Sondervermögen“ außerhalb des regulären Haushalts einzurichten. Dafür muss die Schuldenbremse ausgesetzt werden, was wiederum die Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig macht.

Über das „Sondervermögen“ will die schwarz-grüne Regierung ein 12 Milliarden Euro teures Hilfspaket finanzieren, dass die Auswirkungen der Coronakrise abmildern soll. Auf Pump und mit langer Tilgungsfrist.

Von Anfang an hatten SPD und FDP aber Bedenken, dass dabei das Budgetrecht des Parlaments ausgehebelt werden könnte. Vor allem die Grünen hätten mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen „Wunschlisten“ untergebracht, die nichts mit der Pandemie zu tun hätten, argumentierte FDP-Fraktionschef Renè Rock.

Das Regierungslager hatte zuletzt angeboten, das Volumen auf 9,5 Milliarden Euro zu reduzieren, doch eine Einigung kam nicht zu Stande. Stattdessen nun der Eklat um das Gesetzesvorhaben, mit dem die Zustimmung der Opposition einfach nichtmehr nötig wäre.

„Das Virus hält sich nicht an Haushaltsjahre“

Das Gesetz wollen die Regierungsparteien im Juli mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit beschließen. „Das Cornavirus hält sich nicht an Haushaltsjahre“, sagte für die Grünen Fraktionschef Mathias Wagner zur Begründung. Seine CDU-Kollegin, Ines Claus, betonte, „eine große Krise braucht große Lösungen.“

Das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit, um die Schuldenbremse zu umgehen, war ursprünglich im Gesetz verankert worden, damit „eine missbräuchliche Inanspruchnahme ausgeschlossen“ sei.

Genau das befürchtet nun aber die Opposition: „Uns ging und geht es darum, all jenen zu helfen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind“, erklärte SPD Partei- und Fraktionschefin Nancy Faeser. Die Landesregierung nutze dagegen die Krise aus, um in einem „Schattenhaushalt viel Geld für ihre politische Agenda beiseite zu legen,“ so die Sozialdemokratin. Von einer „Aushebelung der Opposition“ sprach derweil AfD-Fraktionschef Robert Lambroux. Und SPD und FDP drohen jetzt mit einer Klage vor dem Staatsgerichtshof.

Die Linkspartei geht derweil in ihrer kritik noch einen Schritt weiter und kritisiert gleich die Idee einer Schuldenbremse an sich. Linken-Fraktionschefin Janine Wissler sagte der taz: „Es war falsch, ein Kreditverbot für öffentliche Haushalte zu beschließen, das investititionen verhindert und Konjunkturprogramme erschwert. Die Schuldenbremse muss bundesweit abgeschafft werden.“

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