Debatte vor Parteitag: Linke auf europakritischem Kurs
Wenige Tage vor dem Linke-Parteitag lobt Parteichef Bisky die "muntere Debatte" um das Wahlprogramm. Die Reformer arrangieren sich mit dem europakritischen Entwurf.
Linksparteichef Lothar Bisky ist zufrieden. "Wir hatten eine muntere Diskussion in der Partei über Europa", sagte Bisky am Montag. EU-Skeptiker um Wolfgang Gehrke und Sahra Wagenknecht hatten Ende 2008 versucht, das Programm auf schroffe EU-Ablehnung zu fixieren. Moderate Kräfte hatten den allzu grell europafeindlichen Tonfall des Textes aber wieder herausredigiert. Für die Linkspartei, die scharfe inhaltliche Kontroversen sonst gerne diplomatisch umschifft, war die Europadebatte ein munterer Disput.
Die Linkspartei lehnt den Lissabon-Vertrag ab, weil er zu viel auf Markt und Militär setze, begründete Bisky das Ergebnis seiner Partei. Der Vertrag habe zwar auch positive Seiten, die Nachteile seien aber gravierend. "Wir gehen", so Bisky weiter, "mit einem guten Programm und kompetenten Kandidaten in die Wahl."
Daran kann man allerdings Zweifel haben. Die Liste, über die am Wochenende der Parteitag in Essen entschieden wird, folgt einem mehrfachen innerparteilichen Proporz. Zur Männer/Frauen-Quote kommt die WASG/PDS-Quote. Außerdem müssen große Landesverbände und die Parteiflügel berücksichtig werden.
Auffällig an der Liste ist, dass sich darauf - abgesehen von Spitzenkandidat Lothar Bisky und Exparteichefin Gabriele Zimmer - kaum bekannte Namen finden. Zimmer ist die Einzige, die derzeit in der Linksfraktion in Straßburg arbeitet und dies auch künftig tun soll. Dass sie wieder aufgestellt wird, gilt als Anerkennung ihrer vermittelnden Arbeit. Die jetzige Fraktion, der neben André Brie und Sylvia-Yvonne Kaufmann auch Fundis wie Sahra Wagenknecht und Tobias Pflüger angehören, genießt in der Partei keinen allzu guten Ruf. Das sei keine Fraktion, das seien sieben Ich-AGs, so ein verbreitetes Urteil.
Die künftige Fraktion soll offenbar geschlossener sein. Auf den relativ sicheren Platz zehn der Liste ist ein Exgrüner mit Erfahrung im Europaparlament gesetzt: Wilfried Telkämper war in den 1990er-Jahren in Straßburg, 2002 trat er aus den Grünen aus. Ansonsten sind sowohl Prominenz als auch europapolitische Erfahrung bei der Linkspartei eher dünn gesät. Martina Michels ist europapolitische Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Helmut Scholz Bereichsleiter Internationale Politik bei der Linkspartei. Die Ex-DKPlerin Sabine Wils arbeitet im Gewerkschaftsnetzwerk der Europäischen Linken mit. Die ebenfalls auf vorderen Rängen gesetzten WASG-Gründer Thomas Händel, Jürgen Klute, Sabine Lösing und die sächsische Linksparteichefin Cornelia Ernst hingegen sind bislang europapolitisch nicht aufgefallen.
Die Liste, meint Stefan Liebich vom reformerischen Forum demokratischer Sozialismus (FdS), sei "gar nicht so schlecht". Mit Bisky, Zimmer, Scholz, Michels und Ernst seien fünf pragmatische Kandidaten auf den aussichtsreichen Plätzen vertreten. Schmerzlich sei lediglich, dass Brie und Kaufmann auf der Liste fehlen. Das werde man in Essen zu ändern versuchen, so Liebich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett